Die goldene Königin
groÃen Holzschuppen gelangten, dessen schlecht zusammengefügte Bretter auseinanderfielen.
Sie mussten über Taue, Segel und zerbrochene Masten, über Rettungsbojen und alte Barken hinwegsteigen. Nachdem sie das Durcheinander hinter sich gelassen hatten, deutete der Hafenarbeiter auf eine Ecke, in der ein Stapel leerer Kisten vor dem Blick eines möglichen Störenfrieds schützte.
Dort versteckten Mathilde und Fildor sich drei ganze Nächte. Am Tag begab sich das junge Mädchen an den Hafen und spazierte am Kai entlang. Dabei richtete sie den Blick in die Ferne, in der Hoffnung, endlich die Masten der königlichen Galeeren in den Himmel aufragen zu sehen.
Nachdem sie einige Kanten Brot und gegrillten Fisch gegessen hatte, die ihr Freund, der Hafenarbeiter, ihr gebracht hatte, war sie in recht guter Verfassung. Wenn nicht die Erinnerung an die Folternacht gewesen wäre, deren Folgen sie noch immer als heftiges Brennen in ihrem Unterleib spürte, wäre sie dem groÃen Kapitän wie üblich mit strahlendem Lächeln und kühnem Blick entgegengetreten.
Doch so war es nicht. Der Kapitän lieà sich vom Schiff auf die Barke gleiten, die die Passagiere in den Hafen beförderte. Mathilde erinnerte sich an den Tag, an dem er wie ein weiÃer Engel mit goldenen Flügeln stolz und mit strahlenden Augen vor ihr aufgetaucht war. Damals hatte er den jungen, noch strahlenderen König begleitet, der gerade von seinem italienischen Triumph heimgekehrt war.
An jenem Tag hatte Mathilde an der Seite ihrer Mutter gestanden und nicht gewusst, wohin sie den Kopf zuerst wenden sollte. Der Reiz zweier Männer hatte sie verwirrt. Leider war der, den sie kannte â der König â, von seinen Pflichten beansprucht gewesen und warf ihr nur hin und wieder einen von ihr ersehnten Blick zu. Der andere, dem sie während der Festtage in Lyon begegnete, hatte durch Zufall mit ihr eine Unterhaltung begonnen, die leider unvollendet geblieben war. Doch zwischen jenen wundervollen, magischen Momenten und den unsicheren, wirren Gefühlen von heute stand die Vergewaltigung von diesem Monster, die offene Wunden in ihr hinterlieÃ.
Die Barke mit dem groÃen Kapitän erreichte das Ufer und legte an dem gepflasterten Kai an. Die dicken grauen Steine, auf denen sie in den letzten Tagen so oft auf und ab gegangen war, kamen ihr schon vertraut vor. Hier und dort fanden sich Poller, an denen Barken, Pferde, Esel und Waren angebunden waren.
Es herrschte groÃer Aufruhr. Von den Wachen der königlichen Marine zurückgehalten, versammelte sich die Menge in einiger Entfernung. Sie wartete darauf, dass man sie näher heranlieÃ, damit sie dem groÃen Kapitän ihre Ovationen bereiten konnte.
Wer kannte Bernardin des Baux in Marseille nicht? Wem hatte er noch nicht einen Blick geschenkt oder seine Hand berührt? Der junge Kapitän von kaum dreiÃig Jahren hatte sie mit seiner Autorität, seiner Natürlichkeit und seiner GroÃherzigkeit beeindruckt, und die Marseiller wollte ihm noch einmal zeigen, wie sehr sie der Edelmut ihrer Helden begeisterte.
Um ihm den Weg frei zu machen, hatte man am Vorabend die gröÃten Waren weggeschafft: Ãl- und Weinfässer, Baumstämme aus Asien oder Afrika, kleine Araberpferde, die man am Euphrat erstanden hatte, und andere wichtige Güter, auf die der Kapitän ein wachsames Auge hatte.
Mathilde, die sich in die Menge einreihen musste, kämpfte mit Händen und FüÃen, um einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Fildor, den sie fest am Zügel hielt, unterstützte sie unwillentlich bei dieser Aufgabe, sodass sie sich schlieÃlich an einer Stelle vorn am Kai wiederfand, die der Kapitän sicher passieren würde.
Von Weitem sah sie, wie er behände von der Barke sprang und an Land ging. Er befand sich in Begleitung von vier Männern. Dahinter folgten einige weitere, die offenbar einem niederen Rang angehörten.
Von diesem Augenblick an war Mathilde vom Anblick Seigneur des Baux gebannt. Sie nutzte die kurze Unaufmerksamkeit einer der Wachen, um sich mit einem Hüftschwung Platz zu verschaffen, zog ihr Pferd mit sich und trat einen Schritt vor, damit der groÃe Kapitän sie bemerkte.
Plötzlich entdeckte sie ihren Freund, den Hafenarbeiter, in ihrer Nähe. Er war durch die Menge geirrt, hatte sie dann entdeckt und kam schlieÃlich zu ihr, um sie zu unterstützen und zu verteidigen,
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