Die goldene Königin
vom ehelichen Glück, auch nicht, wenn sie an das von Valentine dachte.
Sie schob die Hand in den Ausschnitt ihres Mieders und fühlte das gestohlene Werk auf ihrer Haut. Mit zitternden Fingern löste sie es, zog es heraus und betrachtete es aufmerksam.
Es handelte sich tatsächlich um ein kleines Wunderwerk. Dieses winzige Stück Stoff, das über die Jahrhunderte unschätzbaren Wert erlangt hatte, schien ihr seine ganze Geschichte anvertrauen zu wollen. Leider blieb es stumm. Wer konnte ihr, abgesehen von dem Genueser Kaufmann, mehr darüber erzählen? Würde sie Emmanuel Riccio noch einmal begegnen? Das schien nicht sehr wahrscheinlich, und wenn, wie sollte sie ihm erklären, dass sich das wertvolle Stück in ihren Händen befand?
In ihrer Wut und ihrer Verzweiflung hatte Mathilde den Mann für seinen Verrat bezahlen lassen. Und sie würde sich zweifellos wieder genauso verhalten, wenn das Schicksal sie noch einmal eine solche Situation durchleiden lieÃe. Dieser skrupellose Mann hatte sie trunken gemacht, betrogen, missbraucht, vergewaltigt und wie einen wehrlosen Hampelmann ihrer Verzweiflung überlassen.
Mathilde spürte, dass sie sich auf einem gefährlichen Weg befand, angefangen mit ihrer Flucht, die sie mit dem Auftrag Maître da Vincis getarnt hatte. Auch er hatte sie benutzt, und sie war darauf hereingefallen.
Ihr Blick war getrübt gewesen, sie hatte sich etwas vorgemacht, sich zur Leichtsinnigkeit verleiten lassen und mit ihrem Körper bezahlt. Wäre sie nicht Frescobaldi Hieronymus begegnet, wäre ihr an seiner Stelle vermutlich jemand anders über den Weg gelaufen. Warum sollte ein solcher Mensch, der es eindeutig auf leichtgläubige Mädchen wie sie abgesehen hatte, geduldig zuhören, sie trösten und verstehen? Waren die Männer so? Aber warum sollten sie auch zögern, wenn sie sich bereitwillig mit einem Lächeln vor ihre scharfen Raubtierzähne warf!
Ihre Selbsttäuschung hatte ihr etwas Falsches vorgegaukelt, sie eingelullt und sie in ein Fegefeuer getrieben, das schreckliche Wunden hinterlieÃ, an die sie sich noch lange erinnern würde. Und all das, weil sie unbedingt mehr über ihren Vater erfahren wollte! Wen könnte sie jetzt darum bitten? Constance? Die Tante, die sie noch nicht einmal kannte? Was würde sie ihr erzählen? Würde sie ihr bestätigen, dass Alessandro van de Veere sich wenig aus Alix gemacht hatte? Würden sich die gehässigen Worte dieses abscheulichen Mannes als wahr erweisen?
Mathilde betrachtete das Bild in ihren zitternden Händen. Die vier Pferde, die so feurig wirkten, schienen sich von ihr zu entfernen, und ihre schillernden Farben verschwammen vor ihren tränennassen Augen. Nein! Das konnte nicht sein! Ihr Vater und ihre Mutter hatten sich geliebt. Von ganzem Herzen und für immer. Genau wie in einer echten Ehe hatten die Liebenden in guten wie in schlechten Zeiten zueinandergehalten. Das hatte Alix ihren zwei Mädchen einmal ins Ohr geflüstert.
Warum gab sie sich nicht mit der Behauptung ihrer Mutter zufrieden, so wie Valentine, die anscheinend nicht mehr erfahren wollte? Ihre Schwester würde nie etwas anderes akzeptieren. Für sie stand fest: Alessandro und Alix hatten das groÃe Glück erlebt.
Mathilde spürte ihre trockene Kehle und schluckte das bisschen Spucke hinunter, das sich auf ihrer Zunge sammelte. Sie hatte einen unangenehmen bitteren Geschmack im Mund. Auf einmal hatte sie Lust, ein Bad zu nehmen. Ja! Sie würde ihren Körper von diesen Verunreinigungen befreien, die ihn verschmutzten und sie stets an dieses abstoÃende widerliche Ereignis erinnerten. Doch sie erreichte die Stadt und musste noch warten, bis sie ihre Haut von dem Geruch reinwaschen konnte, der überall an ihr haftete.
Die Geräusche der Stadt drangen an ihre Ohren. Marseille! Was würde sie in Florenz tun? Die Gioconda suchen, finden und zurückbringen, um sie dem alten Maître da Vinci zu überreichen. Der würde sie dann François I. zum Dank für seine Gastfreundschaft in Clos-Lucé schenken.
Würde sie bei dieser Geschichte in den Augen ihres geliebten Königs glänzen? Je weiter die Angelegenheit gedieh, desto mehr bedauerte sie, überhaupt abgereist zu sein, und desto weniger vertraute sie den Männern.
Während sie ruhig auf Fildor trabte, kam ihr eine Idee. Warum schenkte sie Die Quadriga nicht dem König? War ein solches
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