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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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befestigt hatte, zeigte ihr, was sie zu tun hatte. Zwischen zwei flüchtigen Blicken schob sie die Seiden- zwischen den Basisfäden hindurch, um dem Ensemble eine straffere Textur zu geben.
    Arbeiter und Lehrlinge teilten sich die Arbeit. Jeder hatte eine klare Aufgabe. Stets gab es etwas zu tun, nie standen die Webstühle still. Immer wurden Schuss- und Kettfäden gelegt, Hebel gezogen, Kartons zurechtgerückt, Kämme repariert, Wollbündel sortiert, aufgeräumt, gelagert und inventarisiert.
    Guillemin, der älter war als Nicolas, hatte ebenfalls seine gesamte Kindheit in der Werkstatt verbracht. Er war ein guter Arbeiter, besaß jedoch mehr Ehrgeiz als sein Vater Arnold und wollte, unterstützt von Arnaude, in Brüssel seinen Meister machen. So war es auch für Nicolas vorgesehen, nachdem er seine Lehre beendet hatte.
    Eines Tages, die Werkstätten arbeiteten unter Hochdruck, verlor Mathilde langsam die Geduld mit der Webarbeit, die ihre Mutter ihr aufgetragen hatte. Mathias deutete auf einen langen Tisch, auf dem seit dem Vorabend ein Wandteppich von ziemlicher Bedeutung lag.
    Â» Das Tierreich muss nach Amboise gebracht werden«, sagte er an Alix gewandt. »Wir sind zwar ganz pünktlich fertig geworden, aber es ist besser, wir bringen den Teppich gleich ins Schloss.«
    Â»Oh! Darf ich dich begleiten, Mama?«, rief Mathilde, die nur auf diese Gelegenheit gewartet hatte, um sich wieder auf den Weg zu machen. »Die Duchesse d’Angoulême möchte, dass …«
    Â»Ich weiß, dass Louise d’Angoulême dich sehr schätzt«, fiel Alix ihr ins Wort, »aber du begleitest mich nur, wenn du die Arbeit beendest, die ich dir aufgetragen habe.«
    Alix kannte ihre Tochter gut genug, um zu wissen, dass sie Mathilde nur so zum Arbeiten brachte, und sie hatte weiß Gott alles versucht! Selbst, ihr zu sagen, dass Nicolas sie für weniger begabt hielt als Valentine, nutzte nichts. Wäre sein Blick allerdings etwas länger als gewöhnlich bei ihrem Werk verweilt, hätte sich das Mädchen womöglich ein bisschen angestrengt. Doch Nicolas interessierte sich nur für die Arbeit von Valentine.
    So versuchte Alix Mathilde dadurch anzuspornen, dass sie ihr versprach, die fertigen Arbeiten mit ihr auszuliefern.
    Â»Wenn du dich nicht etwas arbeitsamer zeigst, wird Valentine mich begleiten«, ergänzte sie.
    Mathilde seufzte, lockerte ihre Arme und begann zu gähnen.
    Â»Es ist Abend. Wir sollten heimgehen.«
    Â»Das stimmt«, bestätigte Mathias. »Morgen müssen wir früh aufstehen. Ich muss in die Stadt, um Wolle zu kaufen. Du kommst mit, Nicolas.«
    Â»Oh! Ich auch«, rief Mathilde sofort.
    Â»Vater!«, stieß Nicolas hervor, der fürchtete, sich allein mit ihr wiederzufinden, »du hast mir in den letzten Tagen so viele Arbeiten auf dem Hochwebstuhl übertragen, dass ich die Schäferei auf dem Webstuhl von Arnaude noch nicht beendet habe.«
    Â»Keine Sorge, Nicolas«, antwortete die alte Arbeiterin, »ich mache sie fertig. Es ist ohnehin nicht mehr viel zu tun.«
    Â»Das sehen wir morgen«, erklärte Alix, die sich für den Heimweg fertig machte. »Komm mit mir ins Kontor, solange wir warten, Nicolas.«
    Neben dem Verkaufskontor lag eine dritte Werkstatt, und es war nicht gerade die kleinste. Sie wurde von Baptiste d’Alvergne geleitet, den Alix und Mathias vor einigen Jahren zusammen mit seinem Neffen Mario und seiner Schwester Francesca eingestellt hatten. Francesca hatte inzwischen Pierrot geheiratet. Baptiste stellte mit einem speziellen Gerät Goldfäden her. Dieses Werkzeug war rar in Frankreich. In Tours existierte davon nur eins, zwei gab es in Lyon und eins in Felletin in La Creuse. Mit den Goldfäden webte man Stoffe für den französischen Hof.
    Baptiste war kugelrund wie ein Ball. Alles an ihm war rund, von seinem Gesicht bis hin zu seinen Füßen, die klein wie Kinderfüße waren und in Pantoffeln mit nach oben gebogenen Spitzen steckten. Er besaß unglaublich gutmütige Augen, die über seinen großen Argwohn und seine scharfe Beobachtungsgabe hinwegtäuschten.
    Â»Wenn der König aus Italien zurückkehrt, müssen wir die Ersten sein, die ihm das aus Goldfäden gefertigte Wams präsentieren. Es wäre bedauerlich, wenn ein Weber aus Paris oder Lyon die Idee vor uns hätte.«
    Nachdenklich wiegte Alix den Kopf.
    Â»Reicht die Menge

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