Die goldene Königin
verschloss, zumindest für den Augenblick, die Augen vor der stetig wachsenden Begierde ihres Freundes. Er kaufte die schönsten Wohnhäuser von Tours und sogar kleine Schlösser in der Umgebung und restaurierte sie im Stil der Renaissance.
»Alix, ich biete Euch keinen Webauftrag an.«
»Ach!«
»Es handelt sich um einen Rauchmantel von ziemlicher Bedeutung für die Kirche Saint-Pierre.«
»Aus goldenem Tuch?«
»Ja. Er wird die Werkstatt von Baptiste eine Weile beschäftigen.«
Der Domherr sah die besorgte Falte auf der Stirn von Alix. So kannte er sie nicht, und das beunruhigte ihn.
»Alix! Was ist geschehen?«
»Ich habe keinen Goldfaden mehr, und mein Prozess wegen der Galanterien , der gerade wieder aufgenommen wurde, blockiert mein gesamtes Geld.«
»Dieser verfluchte Prozess zermürbt Euch, Alix. Er muss unbedingt beendet werden. Warum bittet Ihr nicht den französischen König um Hilfe? Ein Urteil zu Euren Gunsten wäre Euch sofort sicher.«
Baptiste hatte ihr denselben Rat erteilt.
»Ihr habt recht. Mir bleibt keine andere Wahl.«
Sie neigte leicht den Kopf und fügte hinzu:
»Auf wie viel belaufen sich die Kosten für den Rauchmantel?«
»Viertausend Livres.«
»Zahlbar im Voraus?«
»Nur zum Teil.«
Mathias, der hinzukam, pfiff durch die Zähne.
»Das ist eine anständige Summe. Baptiste muss sich nur noch an die Arbeit machen.«
»Es gibt ein Problem, Mathias. Wir haben keine Goldbarren mehr.«
»Baptiste wird in Lyon welche kaufen«, erwiderte Domherr André. »Ich besorge ihm die Mittel. Vergesst nicht, dass meine Familie den gröÃten Seidenhandel von Lyon besitzt und über beste Kontakte zu den Goldhändlern verfügt.«
Alix lief zu ihm und ergriff seine Hände.
»Wenn ich noch zwanzig wäre, würde ich Euch um den Hals fallen und Euch küssen, André. Aber ich bin vernünftiger geworden.«
»Der Rauchmantel ist nur ein Auftrag, Alix«, erwiderte André, »ich habe noch einen zweiten.«
Darauf folgte Stille. Mathias besorgte einen Stuhl für André und schob ihn ihm unter, damit er es bequem hatte.
»Baptiste wird sich in Kürze mit einer weiteren Arbeit betraut sehen, die ihm fast so viel einbringt wie der Rauchmantel«, sagte der Geistliche. »Aber ich denke, dass die Provision, die Euch zukommt, Euch auch nicht mittellos dastehen lässt.«
»Und die Eure, André?«
»Gewiss, Alix, die meine auch, das versteht sich von selbst. Denn es handelt sich um zwei Muffs sowie die Vorderseite einer Tunika aus goldenem Tuch für eine Summe von zweitausend Livres.«
Mathias schüttelte zweifelnd den Kopf.
»Wenn das so weitergeht, müssen wir keine Wandteppiche mehr herstellen. Das gefällt mir nicht.«
»Wenn du das nicht akzeptierst, Mathias, lässt Baptiste uns im Stich und wird seine eigene Werkstatt aufbauen.«
»Ich weiÃ. Aber ich bleibe dennoch stur. Diese Arbeit übersteigt unsere Kompetenzen.«
»Mathias!«, widersprach Alix. »Unsere ja, denn wir sind Teppich- und keine Stoffweber, aber nicht Baptistes. Du vergisst, dass er jeden kennt, der mit Goldfäden arbeitet.«
Mathias versuchte weiter, seine Frau zu überzeugen.
»Du begeisterst dich ein bisschen zu sehr für diese Tätigkeit. Sagt Ihr es ihr, André.«
»Ich bin nicht Eurer Ansicht, Mathias«, erwiderte der Domherr. »Das ist eine zusätzliche Tätigkeit, die Euer Geschäft bereichert. So muss man es sehen. Wer sagt Euch, dass es in ein oder zwei Jahrzehnten noch Werkstätten mit Hochwebstühlen im Val de Loire gibt? Alles verlagert sich nach Paris, und der Rest der Produktion findet noch immer in Flandern statt. Der König selbst hat seine gröÃten Aufträge an Weber aus Paris und Brüssel vergeben, und das, obwohl er Eure Werkstätten beauftragt hat, wohl bemerkt.«
Aber Mathias lieà nicht von seiner Meinung ab.
»Martin Habert hätte sich darum kümmern können. Wir hätten von ihm dieselbe Provision verlangt.«
»Und Baptiste! Was hätte er gedacht?«
»Ach, natürlich.«
Alix lächelte triumphierend und André zufrieden. Mathias musste ihnen recht geben.
»Allerdings«, stimmte der Domherr zu, »sorgt dieser Habert für einigen Aufruhr. Hat der König ihm nicht die Aufsicht über die Herstellung der Wandbehänge
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