Die goldene Königin
I.«
»Das ist unmöglich«, murmelte Mathilde. »Ich kann diese Juwelen nicht einfach so behalten.«
»Warum einfach so? Ich habe es dir erklärt. Du bist heute den ganzen Tag meine Königin und musst dich auch so benehmen.«
Mathilde begriff nun, worauf er abzielte: Sie sollte in seinem Bett bei ihm liegen. Das Funkeln aus seinen schwarzen Augen traf ihren Blick. Sie seufzte und erhob sich, dann ging sie ein paar Schritte, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollte. SchlieÃlich hielt er sie fest, hob sie hoch, stieà mit dem Fuà eine Seitentür auf und trat ins Schlafzimmer, wo er sie auf ein groÃes Bett legte, das von roten Vorhängen umgeben war.
»Eigentlich«, flüsterte er ihr zu, »verrate ich niemandem meinen wahren Namen. Ich bin König Guillot und nicht Guillaume de Montalon.«
»Warum habt Ihr ihn mir verraten?«
»Weil du bei mir bleiben wirst.«
Als Mathilde gegen Mittag erwachte, war Guillaume fort. Sie stützte sich auf die Ellenbogen hoch und bemerkte nicht, dass sie dadurch eine Nachricht auf den dicken leuchtenden Teppich flattern lieÃ, auf dem Guillaume all ihre Geschenke ausgebreitet hatte.
Mathilde setzte sich auf und lieà den Blick durchs Zimmer gleiten. Nun fiel ihr alles wieder ein, und sie stand hastig auf. Wo befand sie sich? Konnte sie fliehen?
Da bemerkte sie die Nachricht auf dem Boden. Sie hob sie auf, faltete sie auseinander und las: »Dies ist alles für Euch. Bis heute Abend! Euer König.« Hatte sie es mit einem Wahnsinnigen zu tun? Stand Fildor noch im Stall? Sie würde sofort nachsehen und dann versuchen, von hier zu entkommen.
Doch als sie zur Tür ging, begriff sie, dass sie seine Gefangene war. Genau wie Sire Hieronymus hatte König Guillot sie missbraucht und hinters Licht geführt, allerdings voll glühender Leidenschaft. Sein Verlangen war heftig, aber aufrichtig gewesen, seine Gesten gebieterisch, aber voller Ekstase und die Worte, die er ihr zugeraunt hatte, lieÃen Mathilde an einen brodelnden Vulkan denken.
Sie hatte seltsame Dinge empfunden, aus unerfindlichen Gründen geseufzt und den Atem angehalten. Ohne ihr einen einzigen Tropfen Wein einzuflöÃen, hatte Guillaume sie in einen rauschhaften Zustand versetzt. Erst später würde sie das ganze Ausmaà dieser glückseligen Verwirrung begreifen.
Doch im Augenblick empfand sie nur Wut. Sie schrie, rüttelte an der Tür, schlug mit den Fäusten dagegen und gab erst auf, als ihre Finger schmerzten.
Als sie sich umdrehte, sah sie, dass das groÃe Fenster verschlossen und von auÃen verbarrikadiert war. Gott! Was sollte sie bloà tun? Befand sich Fildor noch im Stall? Sie erinnerte sich an die Worte des Wirtes, der ihr versichert hatte, dass die bösen Kerle nie auf Pferden ritten, da man sie sonst zu leicht ausfindig machen konnte. Aber darum scherte sich König Guillot vermutlich nicht!
Mathilde streckte sich auf dem groÃen Bett aus und wartete zwei oder drei Stunden, vielleicht auch länger. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren, und das Fenster, das auf der Rückseite des Hauses lag, war von Fensterläden verschlossen.
Nachdem sie den ganzen Tag nachgedacht und erfolglos alle Fluchtmöglichkeiten durchgespielt hatte, stand sie auf und betrachtete die Tapisserien. Ganz offensichtlich waren sie alle gestohlen. Dessen war sie sich jetzt sicher. Sie stellte sich vor den gröÃten Wandbehang, den sie zu kennen meinte. Ach, Valentine würde staunen, wenn sie wüsste, dass sie die Tapisserien auseinanderhalten konnte, ihre Titel kannte, ihre Herkunft und für wen sie bestimmt waren. Diese hier hieà Die Rückkehr des verlorenen Sohnes, und die daneben, es war die kleinste, gehörte zu dem Ensemble Die freien Künste. Ganz gewiss waren die Wände im Haus von König Guillot die prächtigsten von ganz Paris. Es gab keine freie Stelle, und wohin man den Blick auch richtete, überall stieà man auf schöne Bilder in schillernden Farben. Mathilde war die Tochter einer Weberin und erkannte, dass dieses Haus über eine der schönsten Sammlungen zeitgenössischer Tapisserien verfügte.
Als sie das Studium der Wandbehänge beendet hatte, fing sie erneut an zu jammern. SchlieÃlich hörte sie, wie jemand heftig an die Tür klopfte. Es war ein Diener.
»Dein Zetern nutzt dir gar nichts. Du endest auch nicht anders als die anderen, du kleiner
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