Die goldene Königin
lieber auf Werke französischer oder flämischer Herkunft. Doch einige Zeit später stahl man den Wandbehang erneut, und Guillaume brachte es nicht übers Herz, ihn noch einmal zurückzugeben. SchlieÃlich hängte er ihn zu den anderen.
AuÃerhalb dieser Zeiten, die sich im Verhältnis zu den Nächten, in denen König Guillot fort war, recht lang ausnahmen, fühlte Mathilde sich isoliert, verloren und von der Welt ausgeschlossen. Ihre Lust, bei diesem Mann zu bleiben, der von der Polizei des Königs gesucht wurde, und ihre Freude, ihn wiederzusehen, wenn er heimkehrte, verwirrten sie. So verlor sich das junge Mädchen in endlosen Gedankenspielen.
Wollte sie wirklich immer wieder aufs Neue diese leidenschaftlichen und verrückten Momente erleben? Wollte sie eng umschlungen in Guillaumes kräftigen Armen liegen und seine Lippen auf ihren spüren? Es war alles so anders als das, was dieser verhasste Hieronymus ihr angetan hatte. Guillaume, der »böse Kerl«, König Guillot überschüttete sie mit leidenschaftlicher Hingabe.
Es wäre ihr allerdings lieb gewesen, wenn er sie freigelassen hätte, wie er es anfangs versprochen, dann aber nie mehr geäuÃert hatte. Mathilde fragte sich, wie das Schicksal sie je von dort fortbringen wollte, da Guillaume sie stets einschloss, bevor er ging.
Ihr Kerkermeister sprach nicht mehr von ihrer Freilassung, und wenn er ihr täglich prächtigere Geschenke machte, wollte er sie dadurch nur noch mehr an sich binden. Nüchtern betrachtet beraubte er sie ihrer Freiheit und liebte sie, wie kein anderer sie hätte lieben können.
So ging es Tag für Tag. Sobald Mathilde allein war, meinte sie, diese schwindelerregende Leidenschaft nicht länger ertragen zu können, und war davon überzeugt, dass ein solcher Mann es nicht verdiente zu leben, doch sie schrie auch nicht, damit sie jemand befreite.
An jenem Mittag, als sie zwischen den schillernden Tapisserien, dem Schmuck, den Parfums und den Pelzen, die am Fuà des Bettes auf dem weichen Teppich lagen, erwachte, hörte sie ein Kratzen an der Tür. Sie fürchtete, dass ein weiterer Diener sie mit seinem niederträchtigen Geschwätz quälen wollte und ihre Träume vernichtete, denen sie sich hingab, sobald sie allein war.
Aufmerksam lauschte sie auf das Geräusch. Deutlich vernahm sie das Kratzen eines Fingernagels an der Tür. Mathilde lehnte sich dagegen und lauschte:
»Seid Ihr eine Gefangene?«
Erstaunt flüsterte sie: »Ja.«
»Wollt Ihr, dass ich Euch befreie?«
Wer fragte sie das? Augenblicklich war Mathilde zurück in der Realität. Die Ekstase, der Schwindel, die heftigen Umarmungen, der Rausch, in den sich Worte, Schreie, Küsse und Flüstern mischten, waren umgehend verflogen, und sie dachte nur noch daran, Valentine und ihre Mutter wiederzusehen.
»Wer seid Ihr?«, fragte sie leise.
»Das spielt keine Rolle. Wollt Ihr, dass ich Euch befreie?«
Warum legte der Unbekannte so viel Nachdruck in die Frage? Hatte Guillaume vielleicht Mätressen, die ihn nicht verlassen wollten? Sicher, aber was waren das für Mädchen und Frauen! Plötzlich überlegte Mathilde, wenn sie keine Familie hätte, schutzlos wäre und sich nur von Wasser und hartem Brot ernährte, würde sie sicher auch lieber in den Armen von König Guillot bleiben.
Zum dritten Mal vernahm sie hinter der Tür die Frage:
»Wollt Ihr, dass ich Euch befreie?«
»Ja«, flüsterte sie schlieÃlich.
Mathilde hörte, wie das Schloss knackte, dann folgte ein kaum wahrnehmbares Knarren, und die Tür stand offen. Sie fand sich einem Mann gegenüber, der ganz von einem pelzgefütterten Mantel bedeckt war. Sein Kopf verschwand in der Kapuze, sodass Mathilde sein Gesicht nicht sah.
Unbewegt betrachtete er sie einen Augenblick, dann war er mit zwei langen Schritten bei ihr.
»Schnell«, sagte er und griff ihren Arm. »Ich habe die zwei Diener und den Stallknecht betäubt, aber sie können jeden Augenblick wieder zu sich kommen.«
Mathilde tastete mit der Hand nach ihrem Hals, ihrem Handgelenk und ihren Ohrläppchen.
»Behaltet den Schmuck. Es ist keine Zeit, ihn abzulegen. AuÃerdem hat er ihn Euch geschenkt, er gehört Euch.«
»Aber â¦Â«
»Los! Das ist unwichtig. Fliehen ist wichtiger.«
Der Fremde führte sie rasch nach drauÃen, und als sie den Hof erreichten,
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