Die goldene Königin
Orangen- und der Blumenkorso folgte, den die Marseiller organisiert hatten.
Marguerite dachte nicht über ihr impulsives Verhalten nach, das ihrer Mutter im Ãbrigen nicht zu missfallen schien. Sie wagte es, sich zuerst ihrem Bruder und nicht ihrem Gatten zuzuwenden. Lebhaft und wie immer leidenschaftlich gestikulierend, klapperte sie fröhlich in ihren weiÃen Schuhen über den Boden.
Louise hielt sich würdig im Hintergrund, vielleicht auch um Claude nicht im Stich zu lassen, die zu zurückhaltend war, um ihrem Mann entgegenzulaufen. So kam Marguerite als Erste inmitten des Karnevals aus Farben, Rufen und Lachen in den Genuss des Wiedersehens. François drückte sie herzlich an sich. Es fehlte nicht viel, dachte Charles dâAlençon mit finsterem Blick und einem bitteren Zug um den Mund, und er höbe sie vom Boden hoch, um sie dem Volk zu zeigen!
François verbarg seine Freude nicht. Er küsste seine Schwester tausendmal, hielt sie ein Stück von sich weg, betrachtete sie, als habe er sie noch nie gesehen, drückte sie erneut an seinen kräftigen Oberkörper und raunte ihr zärtliche Worte ins Ohr. SchlieÃlich lieà er sie los, und während er auf die Regentin und Königin Claude zuging, näherte sich Marguerite Charles und küsste ihn herzlich auf die Wange.
»Ich bin glücklich, Euch wiederzusehen, Charles.«
»Habe ich Euch etwa gefehlt?«
Seine Stimme klang zynisch, aber sie ging nicht darauf ein und antwortete schlicht:
»Mehr als Ihr Euch vorstellen könnt.«
Er glaubte ihr nicht. Aber Marguerite hatte sich vorgenommen, ihm zu gefallen und ihm nicht zu widersprechen. Sie musste gleich damit anfangen. Trotzdem blickte sie unwillkürlich noch einmal zu François. Sie sah, wie er sich Claude näherte, die vor dem Mann, den sie so abgöttisch liebte, verstummte. Ein starkes Augenzwinkern kündete bei ihr von groÃer Emotion. François schloss sie in die Arme. Unwillkürlich stieà Marguerite einen Seufzer aus, als sie daran dachte, wie heute Abend jede auf ihrem Lager versuchen würde, ihren Gatten zu verführen.
Plötzlich ergriff Charles ihren Arm.
»Nachdem der König Euch nun geküsst hat«, sagte er leise, »ist Euer Platz an meiner Seite.«
»Ich bin ganz Eurer Meinung, Charles.«
AnschlieÃend drehte sie erneut den Kopf. François beugte sich nun über Mathilde, die ihm ein strahlendes Lächeln schenkte. Er musste ihr ein Kompliment über ihre Anmut und ihre Schönheit gemacht haben, denn Mathilde zappelte vor Freude und errötete. AuÃer wenn sie mit einer Reitergruppe tief in den Wald ritten, hatte Marguerite noch nie gesehen, dass ihrem Schützling die Röte in die Wangen stieg.
Kaum lieà François Mathilde aus den Augen, um sich der versammelten Menge zuzuwenden, traf ihr Blick auf den von Bernardin des Baux. Einen Augenblick sahen sie sich in die Augen. Dann verkündete der Ritter den Beginn der Festlichkeiten.
Mathilde fand kaum Zeit, an ihre Mutter zu denken, die sie in Lyon verpasst hatte. Erzählungen und Lieder wurden vorgetragen, und der König bestand darauf, dass man all seine Offiziere und Soldaten ehrte. Der Sieg sei der ganzen Armee zu verdanken, von den Kleinen bis zu den GroÃen. Die königliche Familie erlebte eine noch gröÃere Feier als bei seiner Krönung.
Vom Hafen erklang der Lärm eines fröhlichen Kanonenfeuers, auf das die gesamte Artillerie der Galeeren aus der Region antwortete. Tausende Kinder marschierten vorbei, und der gesamte Klerus segnete den König.
Die Menge erlebte mit, wie François I. zum Ritter geschlagen wurde. Der berühmte Bayard, den man Ritter ohne Furcht und Tadel nannte und den François als Kind für seinen Mut und seine Tapferkeit bewundert hatte, berührte mit seinem Schwert die Schulter des jungen Königs und sprach die Worte des alten Rittertums: »Mit dieser geweihten Geste ernenne ich François I. zum Ritterkönig.« Der Ritterschlag erfolgte in tiefer Andacht.
»Sire«, murmelte Bayard, »ein König ist mehr wert als ein Ritter.«
Erfüllt von der Ehre, die das Schwert bedeutete, erwiderte François:
»Ich fühle mich erst als König, seit man mich zum Ritter geschlagen hat.«
Während die Menge schwieg, begegnete Mathildes Blick er neut dem von Bernardin des Baux. Seine grauen Augen lieÃen sie erschaudern, und sie bedauerte, dass
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