Die goldene Königin
Meisterwerk. Die Farben richten sich nach der aktuellen Mode. Die Körper werden voller, sinnlicher.«
Mathias, der realistischer als die zwei Frauen war, holte die beiden mit einer konkreten Frage zurück auf den Boden der Tatsachen:
»Ist der Karton bereits gezeichnet? Wann erhalten wir ihn? Wir müssen uns gut organisieren, denn es scheint sich um ein bedeutendes Werk zu handeln.«
»Ja, das ist eine wichtige Arbeit. Ihr benötigt Gold- und Silberfäden in beträchtlicher Menge. Das ist eine der Bedingungen dieses Werkes.«
»Darüber verfügen wir.«
»Nicht mehr über viel«, entgegnete Mathias. »Unser Vorrat geht zur Neige, und wenn du den Prozess gegen Bellinois verlierst â¦Â«
»Der König hat mir versichert, dass er höchstpersönlich darum bitten wird, den Prozess zu unseren Gunsten zu beenden. Zu viele Beweise sprechen dafür, dass wir die Hälfte der Arbeit geleistet haben.«
»Habt Ihr Sorgen?«, erkundigte sich Properzia.
»Ein Prozess, der sich bereits seit zehn Jahren hinzieht. Der Weber, der die eine Hälfte der Tapisserien gefertigt hat, während wir die andere Hälfte gearbeitet haben, hat sich die gesamten Früchte der Arbeit zu eigen gemacht. AuÃerdem hat er den letzten Teppich gestohlen, den wir gerade fertiggestellt hatten. Er behauptet nicht nur, wir wären nicht in der Lage, diese Arbeit zu leisten. Zu allem Ãberfluss dreht er den Spieà auch noch um und beschuldigt mich, den Teppich gestohlen zu haben.«
Sie machte eine hilflose Handbewegung.
»Aber genug! Reden wir nicht mehr davon. Diese Angelegenheit sollte sich demnächst erledigt haben. Ach Mathias, wusstest du, dass der groÃe Leonardo da ist? Wirklich! Kannst du dir das vorstellen, Mathias?«
»Der groÃe Leonardo!«
»Ja! Da Vinci persönlich. François I. hat ihn auf Schloss Clos-Lucé eingeladen. Wir werden ihn sicher besuchen, wenn wir wieder mehr Ruhe haben.«
»Er kann nicht mehr ganz jung sein. Wie kommt es, dass er ein Freund unseres Königs geworden ist?«
»Euer König«, erklärte Properzia, »ist mit einer ganzen Reihe italienischer Künstler zurückgekehrt. Die meisten von ihnen stammen aus Florenz. Architekten, Maler, Bildhauer, Glasmacher, Goldschmiede und andere haben ihn nach Frankreich begleitet. Es heiÃt, er wolle im reinsten Renaissancestil bauen.«
»Diese Vorstellung hatte er bereits, bevor er König von Frankreich wurde.«
Alix fasste ihre Freundin am Arm.
»Gehen wir erst einmal nach Hause. Wir bitten Bertille, uns ein gutes Essen zu bereiten. AnschlieÃend wird Adrian, unser Diener, Euer Zimmer einrichten, bis Ihr Eure Werkstatt beziehen könnt.«
Mathias stand auf, verlieà den Webstuhl, an dem er gearbeitet hatte, und beschloss, die beiden Frauen zu begleiten.
»Nicolas hat Valentine zurückgeholt.«
»Ich weiÃ. Leo hat es mir gesagt. Ist etwas vorgefallen?«
»Seit ihr abgereist wart, war Nicolas schrecklicher Laune. Er konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass Valentine das Opfer all jener Herrschaften am Hof wird. Er befürchtete, dass einer von ihnen ihr den Kopf verdrehen würde.«
»Valentine liebt Nicolas viel zu sehr, um sich verführen zu lassen.«
»Du weiÃt sehr wohl, dass Verführung etwas sehr Menschliches ist. Jeder von uns kann dem Charme des Teufels erliegen! Valentine ist hübsch und intelligent. Genau wie du verfügt sie über viele Vorzüge.«
Alix blickte zu Properzia, die dieser kleinen Szene stillschweigend beiwohnte. Ach, wenn sie in ihrer Nähe wohnte, würde sie noch eine Menge anderer Szenen miterleben.
»Kommt, Properzia, gehen wir nach Hause.«
Im Haus herrschte Stille. Bertille, die in der Küche beschäftigt war, hörte sie nicht kommen.
»Bertille!«, rief Alix.
Da ihr das Alter zu schaffen machte, lieà Bertille ihr Gehör hin und wieder im Stich, doch nun lief sie herbei und hob die Arme.
»Alix! Gut, dass du da bist. Valentine ist mit Nicolas auf ihrem Zimmer. Sie haben sich eingeschlossen und wollen nicht mehr herauskommen.«
Alix seufzte.
»Das musste irgendwann kommen. Sie sind stets zusammen. Ich dachte allerdings, dass die verlängerte Anwesenheit von Mathilde den Lauf der Dinge etwas hinauszögern würde, doch da habe ich mich wohl getäuscht.«
»Wir müssen sie schnell verheiraten«, murrte Bertille.
Weitere Kostenlose Bücher