Die goldene Königin
nicht am Hof in Blois leben. Dazu liebe ich den König zu sehr, und er ist nicht für mich bestimmt. In die Normandie möchte ich nicht zurückkehren, weil die Duchesse dâAlençon dann einen Gatten für mich sucht, der mir nicht gefällt.«
»Wohin willst du?«, fragte Valentine, verzweifelt über die Vorstellung, dass ihre Schwester sie verlieÃ.
Doch sie kannte die Antwort.
»Ich will nach Florenz und das Land unseres Vaters kennenlernen. Und wenn ich zurückkomme, werde ich dir alles erzählen.«
10.
In gemächlichem Tempo verlieà Alix Ussé und ritt den Weg zur Loire hinunter. Tours lag nicht weit entfernt, doch bevor die ersten Häuser erschienen, wollte Alix umkehren.
Plötzlich hörte sie den Hufschlag eines Pferdes und wurde nach einem Augenblick aufmerksamen Lauschens gewahr, dass es ihr entgegenkam.
Ruhig lag die StraÃe vor ihr. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und so herrschte nur wenig Treiben. In einer Stunde böte sich ein gänzlich anderes Bild. Dann würden Pferde, Kutschen, Karren und Maultiere das Flussufer bevölkern und dorthin ziehen, wo ihr Einsatz gefordert wurde.
Als der nahende Reiter sein Tempo verlangsamte, wuchs Alixâ Aufmerksamkeit. Dann blieb Jason plötzlich stehen, und Alix begriff, dass es Properzia war, die ihr schon von Weitem zuwinkte. Sie erwiderte den GruÃ, gab ihrem Pferd die Sporen und ritt freudestrahlend auf sie zu.
Ihre Pferde blieben direkt voreinander stehen. Sofort stiegen die beiden Frauen ab und fielen sich um den Hals wie zwei alte Freundinnen, die sich viel zu lange nicht gesehen hatten.
»Alix! Diese letzte Stunde auf der StraÃe hat mich ebenso aufgewühlt wie auch von Vorfreude ergriffen.«
»Properzia! Eure Anwesenheit erfüllt mich mit Freude. Ich erwarte Euch schon so lange. Ohne Eure Nachricht hätte ich nicht damit gerechnet, Euch jemals wiederzusehen.«
»Das war nicht meine Absicht. In Bologna kann ich momentan nichts mehr ausrichten. Auch in Italien hat man mich von allen Orten verbannt, die mir etwas bedeuten. Ich stecke bis zum Hals in Schulden, Alix. Besser ich halte mich von meinen Gläubigern fern, zumindest so lange, bis ich meine Finanzen in Ordnung gebracht habe und sie auszahlen kann.«
Zum Reiten trug sie Beinlinge und eine kurze Tunika, die bis auf ihre Hüften reichte. Auf ihrem Kopf saà ein groÃer Hut, der ihre feurigen Augen und das Lachen um ihre sinnlichen Lippen verdeckte.
»Steigen wir nicht gleich wieder in den Sattel, Alix. Gehen wir ein Stück zu FuÃ.«
Still folgten sie dem Weg an der Loire entlang. Plötzlich nahm Properzia Alix bei der Hand und lieà sie nicht mehr los. Mit der anderen hielt jede den Zügel ihres Pferdes.
»Ach Alix! Ich konnte es nicht erwarten, Euch wiederzusehen. Ich habe in Tours haltgemacht, wo man mir sagte, dass der König Eure Werkstätten besichtigt habe. Ihr hättet Euch mit Euren Töchtern dem Gefolge angeschlossen, das auf dem Weg nach Chaumont, Ussé und Brissac sei.«
»Das ist richtig. Und wisst Ihr was, Properzia? Ich habe gespürt, dass wir uns auf dieser Strecke begegnen.«
Alix trug ein weites purpurrotes Kleid, dessen Farbe vor dem blassen frühmorgendlichen Blau des Himmels leuchtete. Properzia wandte den Blick zu ihr und betrachtete ihr Gesicht.
»Ich bin mit van Roome gereist, der behauptet, Euch zu kennen.«
»Jean van Roome? Ich bin ihm in Lyon begegnet, als ich dort war mit â¦Â«
Alix zögerte. Sollte sie sich ihr anvertrauen?
»Mit wem?«
»Mit dem Vater meiner Töchter, Alessandro van de Veere.«
»Ihr habt ihn beim letzten Mal nicht erwähnt!«
Alix nickte.
»Wäre er noch am Leben, hätte ich ihn gebeten, Euch bei Euren Finanzen zu helfen.«
Properzia verstärkte den Griff um die Hand ihrer Begleiterin.
»Ach, grämt Euch nicht. So darf ich heute und noch eine ganze Weile bei Euch sein, denn ich werde wohl erst wieder von hier abreisen können, wenn ich einige groÃe Werke vollendet habe.«
Sie lieà Alixâ Hand los und umfasste ihre Taille.
»Van Roome und ich haben da Vinci besucht.«
»Da Vinci! Den groÃen Leonardo da Vinci?«
»Höchstpersönlich. Dann wisst Ihr nicht, dass Euer junger Monarch ihn auf eines Eurer Schlösser im Val de Loire eingeladen hat?«
Alix war stehen geblieben, und ihr Gesicht zeigte deutlich ihre
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