Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
Loire erinnerten. Er blickte zur Eingangstür, die auf den gepflasterten Innenhof hinausführte. Zwischen den beiden hohen Fassaden aus weißem Stein, in die große Fenster eingelassen waren, umschlossen zwei dicke Ulmen den Brunnen und spendeten dem Ganzen Schatten.
    Â»Ich warte auf Bruder André.«
    Ãœberrascht trat Alix zu ihrem Sohn.
    Â»Hat Bruder André denn gesagt, dass er heute käme?«
    Â»Natürlich. Er hat versprochen, mich mit nach Saint-Grégoire zu nehmen.«
    Â»Nach Saint-Grégoire!«
    Die junge Frau hob den Blick zur Decke und seufzte.
    Â»Ach!«, stöhnte sie und legte dem kleinen Louis eine Hand auf die Schulter, »was habe ich getan, dass der Herr mir einen so frommen Sohn gegeben hat, der nichts als Beten und Kirchen im Kopf hat?«
    Â»Nichts, Mama. So ist es eben«, antwortete der Jüngling gelassen. »In jeder Familie sollte es einen Prälaten geben.«
    Â»Meinst du denn, dass wir genug Weber in der Familie haben? Abgesehen von deinem Vater, Valentine und Nicolas, sehe ich keine anderen. Deine Mitarbeit in der Werkstatt ist alles andere als überflüssig, zumal du bereits beachtliches Talent beweist.«
    Louis platzte vor Lachen. Es war ein regelrechter Ausbruch an Heiterkeit, ein kristallklares frisches Lachen, das zeigte, wie jung und sorglos er war. Doch Alix sah in dem plötzlichen Ausbruch auch einen stummen Widerspruch. Ihr Sohn hatte sich bereits für den kirchlichen Weg entschieden und würde seine Meinung in den kommenden Jahren wohl nicht mehr ändern. In ihm steckte zu viel von der Sturheit seines Vaters und von dem Ehrgeiz seiner Mutter, als dass er die Fähigkeiten, die noch verhalten in ihm schlummerten, nicht zur Entfaltung bringen würde.
    Louis ließ die Kante des Wandbehangs los, der in einer tadellosen Falte herabfiel, und ergriff die Hand seiner Mutter.
    Â»Nicolas und Valentine werden viele Kinder haben, da bin ich mir sicher. Und es wäre äußerst überraschend, wenn Mathilde es ihrer Zwillingsschwester nicht gleichtäte.«
    Â»Ach, so siehst du das also.«
    Louis hatte keine Zeit, etwas zu erwidern, denn da ertönte eine tiefe fröhliche Stimme:
    Â»Alix! Der Junge hat vollkommen recht. Ihr werdet so viele Enkel bekommen, wie Ihr es Euch wünscht. Kleine Mädchen werden auch dabei sein, denn den Frauen kommt in der langen Reihe der Weber Eurer Familie eine große Bedeutung zu.«
    Â»André!«, rief Alix und wandte sich zu ihm um.
    Â»Und ich bin der Ansicht, nachdem Gott es mit Euch ganz gut gemeint hat, solltet Ihr ihm Louis überlassen. Schließlich möchte er es gern.«
    Die junge Frau stürmte auf den Domherrn zu, der eine purpurne Kappe und eine lange schwarze Robe trug, die seinen noch immer mageren Körper verdeckte.
    Das fünfzigste Lebensjahr hatte beim Domherrn Mirepoix, den Alix seit ihrer Jugend kannte, nur wenige Falten und vereinzelt ein paar graue Haare im dichten Haarkranz hinterlassen.
    Â»Nun, nun!«, sagte dieser und drückte Alix an sich. »Ihr wisst sehr wohl, dass der Ehrgeiz Eures Sohnes größer sein wird als der meinige, der stets dafür gesorgt hat, dass ich ein kleiner Domherr in der Provinz bleibe.«
    Â»André!«, widersprach Alix. »Ihr hättet leicht in der Kirchenhierarchie aufsteigen können. Ihr verfügt über alle Qualitäten, um Bischof zu werden. Ja, Ihr besitzt alles – die Beziehungen, das Wissen und das Geld.«
    Â»Das war nicht mein Ziel, das wisst Ihr nur zu gut.«
    Â»Ja, ich weiß. Sollte Louis in einen Orden eintreten und ich ihn überdies in Eure Obhut geben, möchte ich nicht, dass Ihr ihn von seinen ehrgeizigen Vorstellungen abbringt.«
    Sie löste sich von ihm und beobachtete aufmerksam sein Gesicht, während Louis auf ihn zuging, damit der Prälat ihn an sich drückte. Sie wusste, dass der Junge durch André alle Möglichkeiten hatte. Er würde ihn erziehen, aufbauen, motivieren und ihm helfen, Stufe für Stufe der schwierigen Hierarchie zu erklimmen. Diese wirkte häufig undurchsichtig und vor allem von Geld bestimmt, das die Familie des jungen Mönchs dem Klerus vermachte.
    Â»André! Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Â»Ganz und gar. Und ich antworte Euch Folgendes: Wenn Ihr mir Louis ab sofort anvertraut, mache ich aus ihm einen ehrgeizigen, fähigen, intelligenten Priester, der sich Kunst und Kultur bewahrt, ohne

Weitere Kostenlose Bücher