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Die goldene Königin

Die goldene Königin

Titel: Die goldene Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Vinci konzentrierte sich auf all die Namen, und plötzlich blitzten seine alten, noch immer wachen Augen.
    Â»Und Eure Mutter, mein Mädchen, heißt Alix Cassex!«
    Â»Ach!«, erwiderte Mathilde und stürzte auf den Maler zu, der ihr bedeutete, auf der Bank Platz zu nehmen, »dann erinnert Ihr Euch?«
    Â»Hast du denn geglaubt, deine Mutter erzählte dir Märchen?«
    Er duzte sie ganz selbstverständlich, und seine Natürlichkeit entzückte Mathilde. Leonardo da Vinci besaß ein Gesicht, das ihr gefiel. Auf seine Brust fiel ein langer grauer Bart, der ihm die Ausstrahlung eines großen, ehrwürdigen alten Mannes verlieh, was sein von Runzeln durchfurchtes Gesicht unterstrich. Seine Augen waren jedoch noch immer dunkel und lebendig, scharf wie die Augen eines Adlers. Immer wieder betrachtete er die kleine Mathilde.
    Â»Fahr fort, Kleine.«
    Â»Oh, ich glaube, ich habe alles erzählt«, murmelte Mathilde, enttäuscht, ihm nicht noch mehr eröffnen zu können.
    Â»Nun, dann werde ich an deiner Stelle fortfahren. An jenem Abend zeigte uns der Gonfaloniere Alessandro van de Veere einige kleinere Arbeiten deiner Mutter. Ich erinnere mich, dass ich sie bewunderte und es ihr sagte. Aber da ich ein Freund offener Worte bin, habe ich auch bemerkt, dass ihr Stil sich entwickeln müsse. Wie ich sehe, ist das der Fall, wenn mein junger Freund Raffael einige Kartons für sie gezeichnet hat. Hat sie danach aufgehört?«
    Â»Nein, sie will noch weiter gehen. Sie möchte sich von einer Frau unterrichten lassen, die sie zu uns eingeladen hat. Es ist eine Bildhauerin aus Bologna. Wir sind ihr in Lyon im Geschäft des Kaufmanns Mirepoix begegnet, einem Seidenfabrikanten.«
    Â»Sprichst du etwa von Properzia de Rossi?«
    Â»Ihr kennt sie?«
    Â»Wer kennt Properzia de Rossi nicht in Bologna! Sie hat die Westfassade der Kirche San Petronio in Stein geschlagen und den Hauptaltar von Santa Maria del Baraccano sowie das Flachrelief Josef und die Frau von Potiphar angefertigt. Ich weiß nicht, wie viele Marmorskulpturen sie für die Kirchen von Bologna erschaffen hat und wie viele monumentale Werke für Auftraggeber außerhalb Italiens. Aber ich habe sie bereits vor langer Zeit aus den Augen verloren. Was macht sie zurzeit? Hat man sie ebenfalls aus ihrem Land vertrieben?«
    Â»Ich glaube, sie wird von großen Geldsorgen geplagt.«
    Â»Nun, sie wird meinem Beispiel folgen und nach Frankreich auswandern. Da ihr italienische Künstler braucht, muss man sie von dort holen, wo sie herkommen!«
    Er nahm die Hand des jungen Mädchens und betrachtete sie aufmerksam aus seinen schmalen, von Falten umgebenen Augen.
    Â»Das ist perfekt! Sie soll sich in Frankreich niederlassen. Ich rate ihr, sich am Hof des Königs einzuschleichen, um dort einige große Aufträge zu ergattern. Eure Schlösser im Val de Loire können ein paar hübsche Skulpturen vertragen. Wenn sie ein neues Vermögen erworben hat, wird sie sicher nach Bologna zurückkehren.«
    Â»Glaubt Ihr das wirklich?«
    Â»Ja, denn der Unterschied zwischen uns ist, dass ich alt und müde bin und sicher in Clos-Lucé sterben werde. Vorausgesetzt, Euer König lässt mich dort bis zu meinem letzten Atemzug verweilen.«
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus.
    Â»Properzia dagegen ist jung und schön und besitzt außerdem großes Talent, was Eure französischen Herrschaften alsbald bemerken werden. Und du, Mädchen, willst du Weberin werden wie deine Mutter?«
    Â»Nein, Maître da Vinci. Valentine, meine Zwillingsschwester, hat das ganze Talent meiner Mutter geerbt. Sie wird Weberin werden.«
    Â»Hast du denn nichts von deiner Mutter geerbt?«
    Â»Doch! Die Liebe zum Reisen, die Begabung für Fremdsprachen und die Freude an Unterhaltungen und Begegnungen.«
    Der alte Maler lachte trocken.
    Â»Das habe ich schon bemerkt. Du scheinst mir auf all diesen Gebieten sehr begabt. Und was willst du machen?«
    Â»Ich will nach Florenz gehen, um das Land meines Vaters kennenzulernen und meine Tante Constance zu besuchen. Sie lebt dort in der Nähe des Hippodroms.«
    Â»Ich meine mich zu erinnern, dass sie nicht mehr dort wohnt.«
    Â»Ach, Maître da Vinci, Ihr scheint meine ganze Familie zu kennen.«
    Â»Florenz ist nicht sehr groß, und man knüpft schnell Beziehungen zu all seinen Bewohnern. Ich erinnere mich, bei deiner Tante eingeladen

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