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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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etwas Verdächtiges auffiel?
    »Du weißt es doch besser. Du hättest mich anrufen sollen«, sagte der Ermittler zu Schenja.
    Erst als sie an den luxuriös gekleideten Schaufensterpuppen und den Salatbars der Twerskaja-Straße vorbeikamen, wurde Maja bewusst, dass der Ermittler Schenja und sie nicht angezeigt hatte.
     
    Arkadi fiel ein, dass sein Küchenschrank leer war, und er ließ Viktor und Schenja durch den Regen zu einem Feinkostgeschäft rennen. Außerdem wollte er mit Maja unter vier Augen sprechen. Er hatte nicht gleich erkannt, wie nah das Mädchen daran war, durchzudrehen. Er war nicht auf sie vorbereitet gewesen. Die Moskauer Straßen waren voll von großbusigen Walküren. Maja war klein und anmutig, und der kahlrasierte Kopf verstärkte den Eindruck von Verletzlichkeit. Er sah jetzt, weshalb Schenja in ihrer Gegenwart den Verstand verlor.
    »Sie wollen reden?«, fragte Maja.
    »Ja. Nur du und ich.«
    »Okay. Bin gespannt, mit was für einem Scheiß Sie jetzt kommen.«
    Sie schien eine gute Menschenkennerin zu sein. Welchen Scheiß, welche Selbstrechtfertigungen mochten die Männer ihr ins Ohr geblasen haben, die für Sex mit einem Kind bezahlten?
    »Wenn du dein Baby so sehr liebst, warum versuchst du dann nicht, es zu finden?«
    »Ich versuche nicht, es zu finden? In den letzten drei Tagen habe ich nichts anderes getan, als die Bahnhöfe abzusuchen.«
    »Ich weiß. Aber damit hast du dich bestraft und nicht nach dem Baby gesucht. In Moskau gibt es mehr als nur die Drei Bahnhöfe. Ich verstehe es nicht, denn ich glaube, du bist eine gute Mutter.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil du leidest.«
    »Sie wissen gar nichts.«
    »Dann lass mich raten. Du bist eine Ausreißerin, du bist eine Prostituierte, und du rennst um dein Leben.« »Sonst noch was?«, fragte sie.
    »Du hast das Baby so versteckt, dass es atmen konnte, vielleicht in einem Korb, und wahrscheinlich bist du nachts in der zweiten Klasse gefahren. Taschendiebe und Betrüger arbeiten im Team. Der eine rempelt dich an, der andere klaut dir dein Geld. Der eine bedroht dich, der andere kommt dir zu Hilfe.«
    »Tante Lena hat einen Soldaten verjagt, der mich belästigt hat.«
    »Und danach hat Tante Lena dir etwas zu trinken gegeben?« »Ja.«
    »Da war ein K.-o.-Pulver drin. Danach hattest du keine Chance mehr.«
    »Ich habe alle Leute gefragt, ob sie eine Frau mit einem Baby beim Aussteigen gesehen hätten.«
    »Da war der Soldat schon mit ihr zusammen, aber er sah nicht mehr aus wie ein Soldat, und sie sah nicht aus wie irgendjemandes Tante Lena. Sie sahen aus wie eine ganz normale Familie auf Reisen. Das ist meine Vermutung.«
    »Und?«
    »Und die beiden Männer, die ihr mit Jegor im Aufzug gesehen habt, sind hinter dir her. Ich weiß nicht, ob du sie schon mal gesehen hast oder nicht, aber du weißt, was für Männer das sind. Ab und zu läuft ein Mädchen weg. Dann muss jemand sie verfolgen, und er muss sie nicht nur einfangen, sondern ein Exempel statuieren, damit die anderen Mädchen so etwas nicht versuchen.«
    »Sie machen Fotos.«
    »Ich habe sie gesehen.«
    Ungewollt stiegen Bilder vor ihr auf: Frauen, die an einem Haken hingen. Die brannten. Die mit dem Gesicht nach unten in einem Swimmingpool trieben.
    »Sie sagen uns, es hat keinen Sinn wegzulaufen, weil sie überall sind. Nicht nur in Russland. Sie hören nie auf zu suchen, und früher oder später finden sie dich. Ich könnte auf dem Gipfel des Mount Everest sein, und sie würden mich finden. Ist das wahr?«
    »So ziemlich.«
    »Sie machen mir Mut.«
    »Tut mir leid.«
    »Was ist mit den ...«
    »Den Leichen? Die sind mir egal. Du bist mir nicht egal. Sie sind tot, du lebst. Hinter dir sind zwei Profikiller her. Wir müssen dich so weit wie möglich von diesem Tatort fortbringen.«
    »Ich könnte es schaffen, wenn ich wüsste, dass Katja überlebt hat.«
    »So heißt das Baby?«
    »Katja. Sie hat eine blaue Wolldecke mit Küken drauf und ein Muttermal im Nacken, das man nur sehen kann, wenn man ihr Haar anhebt. Für einen Nachnamen habe ich mich noch nicht entschieden.«
    »Halt dir deine Möglichkeit offen.«
    »Ich heiße Pospelowa. Merken Sie sich das für später.« Sie lächelte. »Maja Pospelowa war hier.«
     
    Viktor brachte Salate, kalten Braten, Käse, Fladenbrot, Pilze, roten Kaviar, Mineralwasser, Zigaretten, Schokolade und Kaffee, ein Füllhorn, das Arkadis Küchentisch überfließen ließ.
    »Und was ist mit deiner Nachbarin? Meine hochempfindlichen Ohren

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