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Die goldene Meile

Die goldene Meile

Titel: Die goldene Meile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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und dergleichen nennen, aber sie sind seit Jahren gut im Geschäft.«
    »War >Venus< irgendwann auch eine Partnervermittlung? Schöne russische Bräute für einsame amerikanische Männer?«
    »Anfangs haben sie so einiges versucht. Vor fünfzehn Jahren war ja alles chaotisch. Aber ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Renko. Haben sich die Wege dieser zwei Frauen irgendwann gekreuzt? Soweit wir wissen, nein. Sie waren in Alter und Lebensstil so unterschiedlich, dass sie einander nie begegnet sind. Wir haben mit ihren Verwandten und Freunden gesprochen, ihre Telefon- und Handyrechnungen geprüft, ihre Post und ihre E-Mail.«
    »Facebook?«
    »Alle beide. Jede hatte eine Million >Freunde<, aber nicht einen einzigen gemeinsamen. Diese Frauen haben alle in Petersburg gewohnt, aber in verschiedenen Welten.«
    »Tätowierungen?«
    »Nein.«
    »Und Sie haben es geschafft, über drei zusammenhängende Morde nichts an die Presse durchsickern zu lassen?«
    »Die Geschäfte gehen schlecht. Denken Sie daran, was die Hepatitis-Panik im Tourismus angerichtet hat. Ein amerikanischer Tourist auf der Straße, das ist, als hätten Sie ein Einhorn gefunden. Deshalb haben wir diese arme Tänzerin als Drogentote begraben lassen. Seien Sie ehrlich - ist es bei Ihnen in Moskau nicht genauso?«
    »So ziemlich.« Bevor der Oberst auflegen konnte, fragte Arkadi: »Haben die Mädchen Clubs besucht?«
    »Ja. Teilweise dieselben sogar. Ein hübsches Mädchen kommt da immer rein, und Models wie die Scharowa werden angebetet. Waren Sie schon mal in so einem Club, Renko? Die Tanzfläche ist voll, bunte Lichter blitzen, und die Musik ist so laut, dass sie nicht denken, geschweige denn reden können. Eine Nacht in der Hölle.«
    »Wen haben Sie verfolgt?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Major, Sie sind ja nicht freiwillig in einen Club gegangen, und Sie haben keins der Opfer beschattet, weil Sie ja nicht im Voraus wissen konnten, dass es eins sein könnte. Also, wen haben Sie verfolgt?«
    »Im Fall Anna Scharowa hatte ich nur einen einzigen echten Verdächtigen. Meine Männer haben ihn rund um die Uhr beschattet. Sie waren mit ihm zur Tango-Nacht in einer kubanischen Bar, am selben Abend, als sich die Ustinowa eine Überdosis spritzte. Dann ging dem Scharowa-Fall schlicht der Dampf aus. Mir ist nicht ganz wohl dabei, den jungen Mann da hineinzuziehen. Ich hätte ihn besser nicht erwähnen sollen.«
    Viktor sagte: »Wir würden Zeit sparen, wenn wir jemanden ausschließen könnten. Namen kommen in Umlauf. Und Sie wissen, wie solche Vernehmungen laufen. Am Ende würde er gestehen, dass er den Zaren gefickt hat.«
    »Wenn wir Erfolg haben, können wir es uns gemeinsam zugute halten, und Sie können zwei ungeklärte Mordfälle abhaken«, fügte Arkadi hinzu.
    »Na gut. Wir haben einen jungen Mann namens Sergej Borodin beschattet.«
    »Ein gut aussehender Junge mit lockigen Haaren?«, fragte Arkadi den Major.
    »Ja.«
    »Ein Tänzer?« »Ja.«
    »Wir sind ihm begegnet. Genau gesagt, wir sind ihm im Leichenschauhaus begegnet. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Seine Mutter.«
    Schtschekos Stimme büßte nichts von ihrer Kratzigkeit ein. »Was für ein Paar. Sie hielt ihn für den größten Tänzer seit Nijinski und sich selbst für die größte Promoterin seit Diaghilew. Und weil sie >Venus< gegründet hat, glaubte sie, sie sei eine Geschäftsfrau.«
    »Konnte er tanzen?«
    »Das ist ja das Traurige. Wie ein Engel.«
    In dem Moment klingelte Arkadis Handy. Schenja war dran.
     

VIERUNDZWANZIG
    Itsy hatte einen Wohnwagen mit einem Ofen ausgesucht, der zwar klein und mickrig war, aber ihre Familie warm hielt. Sie wickelte das Baby in ein Tuch, und bevor es Gelegenheit zum Schreien hatte, schob sie ihm die Flasche in den Mund.
    Sie legte Wert auf Sicherheit. Mädchen sollten immer paarweise betteln. Jungen durften es allein tun, aber sie sollten einander im Blick behalten. Das Problem war, dass der Regen das Betteln unmöglich machte. Die Leute stürmten mit gesenktem Kopf vorbei. Itsy hatte zwar allen untersagt, Klebstoff zu schnüffeln, aber nach stundenlanger Untätigkeit war dieses Verbot schwer durchzusetzen. Die Stille war umso sonderbarer, weil man den Strom der Fahrgäste und das Ein- und Ausfahren der Züge durch die Stahlblechplatten hörte. Manchmal klang es, als käme eine Lokomotive geradewegs durch die Wand gefahren, und die Lautsprecher meldeten die ankommenden und abfahrenden Züge in runden,

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