Die Goldgräber-Bande
— zog seinen Blick an wie ein
Magnet die Eisenspäne.
Oswald Krenk, genannt Ossi,
trat dort aus dem Haus. Ohne Helm, ohne Lederkluft, statt dessen in
ausgebeulten Klamotten und mit einer Flasche Bier in der Hand.
Um den linken Zeigefinger
wirbelte er einen Schlüsselbund, klirrend, schob das Geklimper dann in die
Tasche.
Wohnte der Typ hier? Tims Blick
lief an dem Haus hoch.
Vier Stockwerke, mürber Stein
aus alter Zeit, allerältester Altbau, ein bißchen Erneuerung hatte sicherlich
stattgefunden hinter den kleinen Fenstern. Aber dieses Viel-Parteien-Wohnhaus
war und blieb unkomfortabel. Neben dem Eingang waren mindestens zwei Dutzend
Klingelknöpfe.
Ossi hatte schon viel
Gerstensaft intus. Das verkürzte seinen Blick — offenbar bis zur Nasenspitze.
Jedenfalls hatte er Tim, Karl und Klößchen noch nicht entdeckt. Ossi, die
Schmeißfliege, setzte die Bierflasche an den Mund und trank. Schaumiges Bier
lief ihm übers Kinn.
„Da drüben ist Ossi“, stellte
Klößchen aufgeregt fest.
„Der hat dort seine Bude“,
sagte Karl. „Ich sah ihn schon zweimal aus dem Haus kommen.“
„Tatsächlich?“ wunderte sich
Klößchen. „Vielleicht wohnt er straßenseitig. Dann kann er sich nachts ins
Fenster hängen und die Videos anglotzen.“
„Nachts zieht der rum“, sagte
Tim, „und macht Randale. Schade, Karl, daß wir nicht genau wissen, ob er dir
gestern aufgelauert hat. Sonst könnten wir ihn zur Rede stellen. So!“ Tim hob
die Faust.
„Ich konnte die Probe nicht
machen“, lachte Karl. „Das hätte mich wahrscheinlich ein paar Zähne gekostet.“
Ossi kam über die Straße.
Halb hatte er sie überquert,
als er die Jungs bemerkte. Trotz seines Bierkonsums fuhr der Schreck ihm in
sämtliche Knochen. Ossi zuckte vom Kopf bis zur Hacke zurück — mit einem
kleinen Rückwärts-Sprung.
Ein Wagen, der im
verkehrs-beruhigten 30er-Tempo hinter ihm vorbeifuhr, bremste scharf.
„Paß doch auf, Mann!“ schimpfte
der Fahrer durchs Fenster.
Ossi zeigte ihm einen
gestreckten Mittelfinger, änderte die Richtung und latschte zum Video-Shop.
Drei Köpfe drehten sich mit,
drei Augenpaare verfolgten ihn mit eisigem Blick.
Hinter Ossi schloß sich die
Ladentür.
„Wo ist Johannes, der Enkel?“
fragte Karl. „Will der tatsächlich seine alte Oma verlassen?“
„Wäre beknackt von ihm“, meinte
Tim. „Aber Oma Unken kann man’s wünschen — auch wenn’s wehtut im ersten Moment
und im zweiten. Der Typ nutzt sie doch nur aus.“
„Arbeitet er?“ fragte Klößchen.
„Er lernt in einem Kaufhaus“,
wußte Karl. „In der Abteilung Büro-Maschinen und Möbel habe ich ihn mal
gesehen. Ist noch Azubi, aber die verdienen ja schon so, daß sie auf eigenen
Füßen gut stehen.“
Tim wandte sich um, weil er
Gabys Stimme hinter sich hörte. Seine Freundin kam aus der Apotheke, und der Apotheker
begleitete sie. Dr. Rädl? Vermutlich. Er war groß, etwa 38, hatte ein
freundliches, aber schwaches Gesicht. Das Kräftigste schien die Hornbrille zu
sein, wie Tim feststellte. In Rädls Zügen lag eine Weichheit, die angeboren
ist. Sicherlich war das ein Mensch, der gern zögerte, niemals Risiken einging,
im Streitgespräch schnell aufgab und abends unters Bett sah, bevor er sich
schlafen legte hinter verriegelten Türen. Seine Stimme klang sanft.
„...sage ich Sabine, daß sie
mal wieder in den Schwimmklub kommt. Gern, Gaby! Grüß bitte deine Eltern.“
Er gab ihr lächelnd die Hand,
deutete mit der anderen auf die Eingangstür und seufzte.
„Da liest du’s: Wochenend-Nachtdienst
Alte Apotheke. Bis morgen früh bin ich im Dienst. Wenn ihr also heute nacht
etwas braucht — ich bin da.“
„Hoffentlich nicht“, lachte
Gaby. „Ihnen wünsche ich eine ruhige Nacht, Herr Dr. Rädl.“
Gaby kam zu ihren Freunden, und
der Apotheker verschwand in seinem neuzeitlichen Alchemie-Betrieb.
„Alles klar?“ fragte Tim. „Wenn
ja, dann düsen wir jetzt ins Café Venezia und schlürfen Espresso.“
9. Das Trio träumt von Rio
Irene Lobitz, die
Juweliers-Dame, schlug die Beine übereinander, zupfte vergeblich am Rocksaum
und starrte auf den Schmuck. Er lag vor ihr auf dem kleinen Cocktailtisch im
Hinterzimmer, das zugleich als Büro diente.
Wolmhus lehnte am Schreibtisch
und rieb mit beiden Händen über sein Pferdegesicht, als müsse er Schläfrigkeit
verscheuchen. Das traf nicht zu. Er war putzmunter. Bildete sich aber ein,
Gesichtsmassage glätte Falten und Tränensäcke.
Der dritte — stämmig,
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