Die Goldgräber-Bande
Fahrzeug war in Sicht. Der Kombi behinderte niemanden.
Flott rollte er weg — Richtung Innenstadt. Und jetzt blickten vier Augenpaare
ihm nach.
„Es sind eindeutig zwei“, sagte
Tim, „und sie haben gemerkt, was wir vorhaben. Schade! Aber es geht ja erst
los. Charles und Dieter alias Hever GmbH — Dr. Galmberg und Co. Daß wir bis
Montag warten müssen, ärgert mich. Vielleicht hilft uns der Zufall, und wir
begegnen dem Kombi nochmal.“
„Ich glaube, es war ein VW“,
sagte Klößchen.
Gaby zog ihre Uhr zu Rate. „Ich
muß in die Wendelring-Straße, bevor die Alte Apotheke schließt. Hätte ich
beinahe vergessen. Kommt ihr mit?“
„Das ist in der Altstadt“,
sagte Tim. „Ein weiter Weg. Also Beeilung! Alte Apotheke? Fehlt dir Zahncreme?
Oder ein Hühneraugen-Pflaster?“
„Blödmann! Oskars
Protein-Tabletten sind alle.“
„Protein-Tabletten?“ fragte
Klößchen. „Kriegt er die gegen Fell-Ausfall?“
„Sie sind gut für alles, sind
so eine Art Vitamin-Kraftstoff-Aufbau-Nähr-und-Genußmittel. Besonders für
Hunde.“
„Ich nehme als Nähr- und
Genußmittel Schokolade“, meinte Klößchen und griff in die Tasche, um die zweite
Tafel zu schlachten.
„Muß es unbedingt die Alte
Apotheke sein?“ fragte Tim, als sie fuhren. „Andere sind näher.“
Gaby schüttelte ihre Goldmähne.
„Wir kaufen immer bei Dr. Rädl. Ihm gehört die Apotheke. Außerdem kenne ich
seine Tochter. Sabine geht auf die Mädchenschule.“
„Rädl?“ fragte Karl. „Den Namen
habe ich schon mal gehört. Bei den Fiedlers. Jedenfalls ist es ein Dr. Rädl,
der die Schlangen betreut, wenn die Fiedlers verreisen. Felicitas Fiedler
wollte zwar erst, daß meine Mutter es macht. Aber das ist völlig unmöglich.
Mütterchen würde in Ohnmacht fallen.“
Sie beeilten sich. Klößchen
schwitzte ob des Tempos und schimpfte natürlich. In der Innenstadt war immer
noch viel Betrieb, obwohl auch von den Ausfall-Straßen in Richtung Umland und
Grün-Oasen die ersten Staus gemeldet wurden.
Die Wendelring-Straße gehört zu
den ältesten Verkehrswegen der Stadt: eng, gewunden, ohne eine Lücke in den
Häuserzeilen — sieht man ab von schlauchschmalen Durchgängen zu den
Seitenstraßen. Einige der Häuser stammen aus dem 18. Jahrhundert, stehen unter
Denkmalschutz und trotzen — so gut sie können — dem Zahn der Zeit.
Wohnhäuser. Aber es gab auch
Geschäfte in den Parterre-Etagen. Neben der Alten Apotheke, die von innen wie
außen ehrwürdig war, hatte sich ausgerechnet ein Video-Shop breitgemacht.
GLOTZE stand in weißen
Pinselstrichen und groß auf der Schaufensterscheibe. Ob das der Name des
Inhabers, des Shops oder nur eine Aufforderung war — konnte man halten wie man
wollte. Das Besondere am GLOTZE-Shop bestand in den fünf Fernseh-Apparaten, die
im Schaufenster aufgereiht waren. Die Flimmerkisten hatten eine Zeitschaltung,
die mit einer Automatik gekoppelt war. Und der Inhaber bediente seine
Laufkundschaft vor dem Schaufenster mit einem wahrlich aufwendigen Service.
Um 19 Uhr schaltete sich der
erste Apparat ein und spielte drei Stunden lang Video-Kassetten ab, Spielfilme.
Um 22 Uhr war der nächste an der Reihe. Spielfilme, aber andere. Und so ging’s
weiter bis in den Vormittag. Jeder Apparat war mit zwei Filmen dabei. In milden
Nächten belagerten Nachtschwärmer, Passanten und Penner das Video-Geschäft.
Manche brachten sich Stühle mit und Bier.
Die TKKG-Bande hatte davon
gehört, aber noch niemals ihre Zeit hier vertan.
Während die Jungs vor dem
GLOTZE-Shop warteten, betrat Gaby die ALTE APOTHEKE.
Tim hielt Gabys Rad, blickte
aus scharfen Augen ins Nichts und hatte seine Gedanken voll aufgedreht. Sie
beschäftigten sich mit Charles und Dieter, mit der Hever GmbH also. Ob’s die
Firma wirklich gab? Benutzten zwei Ganoven einen achtbaren Namen, um mit einem
Betrug die schnelle Mark abzustauben? Am besten, man sah mal ins Telefonbuch —
nachher. Oder ins Branchen-Verzeichnis. Nein, ging nicht. Dazu müßten wir
wissen, schlußfolgerte Tim, in welcher Branche (Geschäftszweig) Hever
sich betätigt.
Tim gähnte und hob seine
Kampfsport-Hand etwas zu spät an den Mund.
Eine Frau, die vorbeiging,
blickte strafend.
„Entschuldigung!“ Er lächelte.
„Manchmal ist die Müdigkeit schneller als die gute Erziehung.“
„Solange du’s noch merkst!“
Auch die Frau lächelte jetzt.
„Was ist denn?“ fragte
Klößchen.
Tim wollte antworten. Doch eine
Gestalt — drüben auf der anderen Straßenseite
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