Die Goldhaendlerin
euch bestellen?«
Lea rief ihm einen klangvollen spanischen Fluch nach und blieb erschöpft stehen. Für einen Augenblick überlegte sie, ob sie und Jochanan Hannosweiler nicht umgehen und sich anderswo eine Unterkunft suchen sollten. Sie kannte die Gegend jedoch nicht gut genug, um ungefährdet auf eigene Faust Weiterreisen zu können, und musste zugeben, dass Roland Fischkopf sie bisher gut geführt hatte. Zu ihrer Verwunderung hatte er den Weg so gewählt, dass sie in Herbergen unterkommen konnten, in denen Juden nicht über das übliche Maß hinaus schlecht behandelt wurden.
Auf Jochanan gestützt hinkte sie weiter und schimpfte dabei in allen Tonarten auf diesen eingebildeten Menschen vor ihr und wünschte ihm alle Schrecken der Hölle auf den Hals, bis Jochanan, dessen Geduld sonst beinahe unbegrenzt zu sein schien, aufbegehrte.
»Du bist selbst schuld, dass Herr Fischkopf dich so hart anfasst, Herrin. Was musst du ihn auch die ganze Zeit bis aufs Blut reizen? In seiner Gegenwart verwandelst du dich in ein keifendes, altes Marktweib.«
Lea blieb ob dieses schnöden Verrats für einen Augenblick die Sprache weg. Sie funkelte ihren Knecht empört an und suchte nach Argumenten, mit denen sie Jochanans gute Meinung von ihrem Peiniger zerschmettern konnte. »Nicht ich reize ihn, sondern er gibt keine Ruhe. Er verachtet uns, weil wir Juden sind, und macht sich über uns lustig.«
Jochanan hob beleidigt den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht, denn dann würde er sich nicht so viel Mühe mit uns geben. Es war auch bestimmt nicht Herrn Fischkopfs Schuld, dass du so böse gestürzt bist. Du hast ihn überhastet angegriffen und versucht, ihn mit dem Knie an der Stelle zu treffen, wo es einem Mann wehtut. Er ist nun einmal ein großer Kämpfer, der mit einem Dutzend von uns zugleich fertig wird.«
Die Tatsache, dass Jochanan Recht hatte, dämpfte Leas schlechte Laune nicht gerade. Sie hatte die Chance gesehen, Roland Fischkopf einmal wimmernd zu ihren Füßen liegen zu sehen. Stattdessen war sie im hohen Bogen durch die Luft geflogen und mit ihrer rechten Hüfte hart auf einer vorstehenden Wurzel gelandet. »Er ist ein Christ und ein gemeiner Schurke! Denke doch nur daran, wie oft er mich um Gold und Geld gebracht hat.«
»Jetzt bist du aber sehr ungerecht, Herrin. Schließlich hat Herr Fischkopf weit mehr als den Wert des Goldes, welches er damals mitgenommen hat, bei der Banco San Giorgio in Genua für dich einbezahlt. Das hast du mir selbst gesagt.«
»Aber ohne ihn komme ich nicht an das Geld heran«, gab Lea erregt zurück.
»Selbst wenn er es behielte, wärest du noch nicht arm, denn der Handel mit England und den spanischen Staaten, den du auf seinen Rat hin ausgebaut hast, hat dir schon hohe Gewinne gebracht. Bestimmt wärst du in der Lage, die Einfuhr spanischen Weines nach Flandern ganz allein zu übernehmen.«
Jochanans Vorstellungen ihrer Gewinne waren allzu übertrieben, doch eines stimmte: Lea hatte sich im letzten Jahr aller Verbindungen bedient, zu denen ihr Roland Fischkopf verholfen hatte, und sie ausgenutzt, um weitere Geschäftspartner zu finden, denen nicht daran gelegen war, einen Juden zu betrügen. So hatte sie im Gegensatz zu einigen anderen Geschäftsfreunden Ruben ben Makkabis, die dem christlichen Handelsagent misstraut hatten, keine empfindlichen Einbußen im Handel mit England und Spanien hinnehmen müssen. Durch die Gewinn bringenden Anteile an verschiedenen christlichen Handelsfahrten hatte sie einen Teil der Summen wieder hereingebracht, die sie für die Hochzeit des Markgrafen hatte ausgegeben müssen. Daher tat ihr der Verlust der Rittlagewechsel nicht sonderlich weh, denn sie hatte nicht damit gerechnet, sie je einlösen zu können. Wenn Roland Fischkopf Recht behielt – was er zu ihrer Erbitterung meistens tat –, würde sie über den geschriebenen Wert hinaus einen erklecklichen Gewinn machen und käme dadurch ihrem Wunsch, sich in einer der großen Reichsstädte einkaufen zu können, wieder ein Stück näher. Anders als er angenommen hatte, kannte sie die Art der hohen Herren, für rasches Geld Privilegien zu vergeben, die über die Dauer ihrer Wirksamkeit hinweg mehr wert waren als die dafür gezahlte Summe, denn sie konnte die Gerechtsamen, die sie Ernst Ludwig von Hartenburg abgekauft hatte, kaum noch zählen. Obwohl der Markgraf der geldgierigste Mensch war, den sie kannte, zog sie aus den meisten noch ein wenig Gewinn, auch wenn sie mit mühseliger Arbeit verbunden
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