Die Goldhaendlerin
waren wie das Steuerpatent der Markgrafschaft.
Während Leas Gedanken sich um ihre Situation und die nächsten Geschäfte drehten, hinkte sie auf Jochanan gestützt auf Hannosweiler zu. Sie erreichten den Ort schneller, als Lea erwartet hatte, doch als Jochanan stehen blieb und seinen Arm zurückzog, zuckten starke Schmerzen durch ihre Hüfte, so dass sie sich auf die Lippen biss, um nicht laut aufzustöhnen, denn angesichts des Torwächters, der mit grimmiger Miene auf sie zustach, wollte sie keine Schwäche zeigen. Es war ein vierschrötiger Kerl in abgetragener Kleidung, deren Farben man nur noch erahnen konnte. Seine militärische Ausrüstung bestand aus einem flachen Helm, gegen dessen Beulen und Rostflecken er einen vergeblichen Kampf auszufechten schien, und einer Hellebarde, die mehr einem Sauspieß glich, der einem Jäger nicht mehr gut genug gewesen war. Das Wappen auf seiner Brust war so verblasst, dass man dem Reichsadler, der eines der Felder zierte, nicht mehr entnehmen konnte, ob Hannosweiler eine reichsfreie Stadt war oder zu einer Reichsgrafschaft gehörte.
Der Mann wanderte einmal um die beiden Juden herum und rümpfte die Nase. »Euresgleichen hat bei uns eigentlich nichts verloren.«
Das Wort »eigentlich« verriet Lea, dass der Wächter nur auf eine nicht allzu kleine Münze aus war. Ein württembergischer Doppelkreuzer wechselte den Besitzer, dann trat der Mann beiseite und wies mit seinem Spieß in die Stadt. »Ihr dürft hier keine heidnischen Rituale in aller Öffentlichkeit abhalten noch Weibsleute und Kinder beschwatzen, an solchen teilzunehmen«, erklärte er noch und ging dann einem Bauern entgegen, der sich mit einem von einer mageren Kuh gezogenen Wagen dem Tor näherte.
Während Lea und Jochanan die Stadt betraten, warfen sie dem Turm und der Wehranlage einen zweifelnden Blick zu. Der Ort schien einmal bessere Tage gesehen zu haben. Jetzt aber bröckelte der Mörtel von den Wänden, und überall fehlten Steine in den Mauern. Das Holz des Fachwerks zeigte tiefe Risse und Löcher an den Stellen, an denen die Holzdübel herausgefallen waren, und die aufgemalten Wappen waren so verblasst, dass nur noch ihr Umriss zu erkennen war.
Lea hatte schon andere Städte dieser Art gesehen. Meist verarmten sie, wenn die Handelsstraßen, die sie reich gemacht hatten, durch veränderte Besitzverhältnisse in den umliegenden Ländern plötzlich anders verliefen. Hannosweiler schien es so ergangen zu sein, denn der Ort wirkte so, als würde er von seiner Vergangenheit träumen und die Gegenwart nach Möglichkeit ignorieren. Die Straße, die zum Marktplatz führte, war einmal mit Feldsteinen gepflastert gewesen, von denen nur noch Reste existierten, und einige der verfallenen Häuser rechts und links von ihr trugen noch vergilbte Herbergsschilder. In einem der einst stattlichen Gebäude hatten sich dem Geruch und dem Aussehen nach zu urteilen arme Leute eingenistet, die mit ungeeigneten Mitteln versuchten, ihre Bleibe zu erhalten, doch bei den anderen waren Fensterstöcke und Türen herausgebrochen worden und die Dächer zum Teil schon eingestürzt. Lea fröstelte, als sie unweit des Marktes durch eine Gasse kam, die mit einem längst verfallenen Tor verschlossen gewesen war und an deren Hausmauern verblasste Zeichen darauf hindeuteten, dass hier früher einmal Juden gelebt hatten. Die Häuser waren dem Verfall preisgegeben worden und teilweise so zerstört, dass Lea sich bang fragte, was ihren Bewohnern zugestoßen sein mochte.
Jochanan interessierte sich nicht für Hausruinen, sondern hielt eifrig nach dem »Blauen Karpfen« Ausschau, den Orlando ihnen genannt hatte. Daher achtete er ebenso wenig wie Lea auf den untersetzten Mann mit dem hageren Gesicht, der aus einer Seitengasse kam und so schnell stehen blieb, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Er riss Augen und Mund weit auf und machte Miene, auf die beiden Reisenden zuzugehen. Dann aber zog er sich wieder in den Schatten der Gasse zurück und starrte ihnen nach. In dem Augenblick, in dem Jochanan auf ein niederes Fachwerkhaus mit einem schiefen, aber noch stabil aussehenden Dach zeigte, über dessen Eingangstür ein Schild mit einem blauen Fisch hing, folgte der Mann ihnen so vorsichtig, als wollte er nicht entdeckt werden, aber als Lea sich der Tür des Gasthauses näherte, trat er hinter sie und legte seine Hand auf ihre Schulter.
Erschrocken drehte sie sich um und sah sich einem schmutzigen Subjekt in einem vielfach geflickten Kittel
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