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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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und löchrigen Hosen gegenüber. »Was willst du?«, fuhr sie ihn an.
    Der Kerl entblößte seine schadhaften Zähne. »Lea Jakobstochter! Hol mich der Teufel, wenn das keine Überraschung ist.«
    Lea empfand Panik, als sie mit ihrem eigenen Namen angesprochen wurde, beruhigte sich aber sofort wieder, als Jochanan einen erfreuten Schrei ausstieß. »Saul! Dem Gott unserer Väter sei Dank, du lebst.«
    Lea rieb sich die Augen. Es war tatsächlich der Knecht, den sie vor gut fünf Jahren nach Worms geschickt hatte. Da auch sie angenommen hatte, er sei einem Raubmord zum Opfer gefallen, atmete sie erleichtert auf. »Welch eine Freude, dich zu sehen, Saul. Ich dachte schon, dir wäre etwas Schlimmes zugestoßen.«
    »Wie man’s nimmt«, antwortete Saul mit verkniffener Miene. Lea erwartete nun von Saul zu hören, dass er das von Zofar ben Naftali erhaltene Geld an Räuber verloren und sich anschließend geschämt hätte, mit leeren Händen vor ihr zu erscheinen. Daher wehrte sie sich im ersten Moment nicht, als er sie packte und in eine mit verwildertem Efeu überwucherte Laube schob, die sich an den »Blauen Karpfen« anschloss.
    »Was für ein Glück für mich, dich getroffen zu haben«, sagte er mit einem hämischen Kichern und zeigte dann auf Leas Kiepe.
    »Besonders gut scheint es auch dir nicht ergangen zu sein. Doch ich hoffe, du hast noch ein wenig Geld übrig.«
    »Nur ein paar Kreuzer für die Reise«, antwortete Lea verblüfft.
    »Mehr ist mir nicht geblieben.« Zu ihrer Erbitterung war das die Wahrheit, denn ihre Goldmünzen hatte sie für den Herzog von Burgund ausgeben müssen.
    Saul stieß einen unanständigen christlichen Fluch aus. »Ein paar Kreuzer sind mir zu wenig!«
    Er sah sich kurz um, ob er mit Lea und Jochanan, der ihnen gefolgt war und ihn nun verständnislos anstarrte, allein war. Dann brachte er sein Gesicht so nahe an Leas, dass ihr von seinem stinkenden Atem übel wurde.
    »Höre mir ganz genau zu, du Miststück. Entweder gibst du mir genug Geld, damit ich aus dieser Drecksstadt verschwinden und mich anderswo als geachteter Bürger niederlassen kann, oder ich werde den Behören melden, dass sich eine als Mann verkleidete Jüdin in ihre Stadt geschlichen hat, um ihre Brunnen zu vergiften. Man würde dich sofort einsperren, und was die Kerkerknechte dann mit dir machen, kannst du dir sicher vorstellen. Vielleicht lassen sie mich sogar als Ersten ran, zur Belohnung, weil ich dich entlarvt habe.«
    Lea schob Saul von sich weg und öffnete den Mund, um ihn zu fragen, was in ihn gefahren wäre, da stieß Jochanan, der aus seiner Erstarrung erwacht war, ein wütendes Schnauben aus und ging auf den Mann los. Saul drehte sich nur leicht und verpasste ihm einen Tritt, der ihn zurückstolpern ließ, zog dann ein Messer und setzte es Lea an die Kehle.
    »Vorsicht, Jochanan. Sonst steche ich Lea ab und lasse dich als Brunnenvergifter in den Kerker werfen. Also seid vernünftig und gebt mir, was ich fordere, dann könnt ihr diese Stadt unversehrt wieder verlassen.«
    »Du bist kein Jude mehr, du bist ein Schwein!«, presste Lea voller Grimm heraus.
    Sie hätte Saul, so heruntergekommen wie er wirkte, wieder als Knecht aufgenommen, allein schon um Ketura zu entlasten, die sich zu Hause fast zu Tode schuftete. Stattdessen hing sie hilflos in seinen Händen, denn das Messer an ihrer Kehle hinderte sie daran, sich mit einem der Tricks zu befreien, die Roland Fischkopf ihr beigebracht hatte. Ihr war klar, dass ihr auch die geschickteste Gegenwehr nicht würde helfen können, denn solange Saul lebte, stellte er eine Gefahr für sie dar. Am liebsten hätte sie ihn in Sicherheit gewiegt und ihn in einem passenden Augenblick umgebracht, doch sie wusste, wie die Behörden mit Juden umsprangen, die einen Bewohner ihrer Stadt ermordeten, selbst wenn es sich nur um ein verkommenes Subjekt wie Saul handelte. Ganz gleich, wie sie es wendete, sie war ihrem einstigen Knecht hilflos ausgeliefert, und das wusste er genauso gut wie sie.
    »Los, mach dein Maul auf, Weib! Wie viel Geld kannst du mir geben? Es sollten mehr als die fünfhundert Gulden sein, die ich von deinem Wormser Prachtjuden erhalten habe.«
    »Du hast also mein Geld unterschlagen. Aber wieso läufst du dann so zerlumpt herum?«
    Saul spuckte wütend aus. »Um den größten Teil hat mich ein christlicher Kaufmann gebracht, mit dem ich einen Handel aufziehen wollte. Den Rest verlor ich in einem Hurenhaus, denn das Schweineweib, das ich gerade besteigen

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