Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
nichts an.« Lea fühlte, dass sie diesem Mann nicht gewachsen war, und drehte ihm abrupt den Rücken zu.
    Orlando wanderte durch die Schlafkammer, strich über die sauberen, nach Blüten duftenden Laken und blickte zuletzt sogar unter die Betten. »Wir wohnen hier wirklich feudal. Es steht sogar Nachtgeschirr bereit, damit wir nicht zum Abtritt gehen müssen. Das wäre bei über hundert Leuten, die heute hier übernachten, gewiss nicht so einfach. Das Häuschen und die Mistgruben werden ständig besetzt sein.«
    Lea gab keine Antwort, sondern setzte sich auf das Bett, das der Tür am nächsten stand, verschränkte die Arme und überlegte, was sie jetzt tun sollte. In den Verschlagen, in denen Jochanan und sie bislang untergekommen waren, hatte es genügt, sich in den Mantel zu hüllen und einen Teil des eigenen Gepäcks als Kopfkissen zu benützen. Decken hatte es selten gegeben – und wenn, hatten sie nach Pferden gerochen oder gar nach Schweinen, weil missgünstige Herbergsknechte sie in deren Mist getaucht und in der Sonne getrocknet hatten. Sie konnte sich Orlando jedoch nicht im Hemd zeigen, weil ihm dann sofort klar werden würde, was es mit ihren angeblichen Verletzungen am Unterleib auf sich hatte.
    »Hast du noch Lust, dir einen Namen für deinen Geleitbrief auszusuchen?«, fragte Orlando in ihre Überlegungen hinein.
    »Samuel ben Jakob ist ein guter Name, und ich gedenke keinen anderen zu tragen«, erklärte sie störrisch.
    »Es gibt genug Gegenden, die ein Jude heutzutage meiden muss, in denen sich ein Mann in der Kleidung eines normalen Reisenden aber ungefährdet aufhalten kann. Du solltest dir einen christlich klingenden Namen und die dazu passenden Gewänder zulegen.«
    Lea wies auf ihren Mantel und den Judenhut. »Soll ich etwa so zu einem Schneider gehen?«
    »Das ist nicht nötig. Ich bin bereit, dir unverfängliche Kleidung zu besorgen.«
    Lea beantwortete sein Angebot mit einem grimmigen Schnauben, und Orlando begriff, dass an diesem Tage nicht mehr mit ihr zu reden war. Er zuckte mit den Schultern und wollte sie schon auffordern, sich endlich ins Bett zu legen, als ihre verkrampfte Haltung ihm verriet, dass genau das ihr Problem war. Schließlich konnte sie sich ja aus mehreren Gründen nicht vor seinen Augen ausziehen. Er beschloss, ihr die Sache leichter zu machen, gähnte ausgiebig und begann, sich bis auf die Unterhose zu entkleiden, an der seine Beinkleider nach alter Art mit Schnüren befestigt waren.
    »Ich weiß nicht, was du noch zu tun beabsichtigst. Aber ich bin müde und will jetzt schlafen. Blase das Licht aus, wenn du dich hinlegst.« Mit diesen Worten kroch er unter die Decken und drehte ihr den Rücken zu. Der flackernde Schatten, den die Kerze an die Wand warf, zeigte ihm, dass sie sich jetzt ebenfalls ihrer Kleidung entledigte. Leider bemerkte sie den verräterischen Umriss hinter ihr und löschte rasch das Licht.
    »Gute Nacht«, murmelte Orlando wie schlaftrunken, obwohl er sich alles andere als müde fühlte.
    Für einen Augenblick hatte er Leas Formen zumindest erahnen können. Das Bild verfolgte ihn nun und erzeugte eine Spannung in seinen Lenden, die nach Erfüllung schrie. Beinahe war er versucht, zu ihr hinüberzugreifen und sie zu lehren, eine Frau zu sein. Jochanans ununterbrochenes Schnarchen erinnerte ihn jedoch daran, dass sie nicht allein waren. Er fürchtete den Burschen nicht, doch selbst wenn er zum Ziel kam, würde Lea ihn danach noch mehr verabscheuen als Rittlage und die von ihm gesandten Mörder ihres Vaters. Mit einem entsagungsvollen Seufzer schloss Orlando die Augen und richtete seine Gedanken auf andere Dinge. Doch sie kehrten noch viele Stunden lang zum Objekt seiner Begierde zurück.

4.
    Als Herzog Maximilian zur dritten Morgenstunde aufbrach, winkte er Orlando und Lea, die auf den Hof getreten waren, um seiner Abreise zuzusehen, noch einmal huldvoll zu. Während er seinen Reisewagen bestieg und gleichzeitig einen scharfen Disput mit dem Hauptmann seiner Wache begann, verabschiedete Orlando sich von van Grovius und einigen anderen Herren aus Maximilians Begleitung in ihrer jeweiligen Muttersprache. Lea hörte ihm interessiert zu und brachte später, als sie in der still gewordenen Herberge beim Frühstück saßen, die Rede auf seine Sprachkünste.
    »Eines gibt es, um das ich Euch beneide, Herr Fischkopf, nämlich Euer Talent, Euch in fremden Zungen auszudrücken.«
    »Das ist keine Naturgabe, die einem zufliegt, und auch nichts, was man sich von

Weitere Kostenlose Bücher