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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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heute auf morgen aneignen kann, sondern das Ergebnis langen Lernens und steter Übung. Du könntest es in dieser Fertigkeit ebenfalls weit bringen.«
    Ein herber Zug legte sich um Leas Mund. »Dazu müsste ich einen Lehrer finden, der bereit ist, sich mit einem Juden abzugeben.«
    »Ich könnte dir den Grundwortschatz der bedeutendsten Sprachen dieser Welt beibringen.«
    Lea hielt Orlandos vergnügtes Auflachen für Spott und Herablassung und hob abwehrend die Hände. »Das wird wohl kaum möglich sein, da Ihr ja nach Vesoul weiterreist, während ich mich auf den Weg nach Worms mache, um mein Flussgold an einen Geschäftsfreund zu verkaufen.«
    »Das Ziel meiner Reise war nicht Vesoul, sondern eine Begegnung mit dem Burgunderherzog, und das Geschäft habe ich mit Erfolg abgeschlossen. Jetzt ist die Straße nach Worms ebenso gut wie jede andere. Also kann ich dich eine Weile begleiten.«
    »Ihr habt Maximilian aufgesucht, um für einige Leute das Privileg zu erwerben, sich in seinem Reich niederlassen zu dürfen?
    Aber was hattet Ihr davon?«
    Er lächelte selbstzufrieden. »Sie zahlen gut dafür.«
    Lea zog die Stirn kraus. »Aber warum sind sie nicht selbst an den Herzog herangetreten?«
    »Es wäre ja möglich, dass sie seine Sprache nicht verstehen.«
    Lea war sich jetzt sicher, dass Roland Fischkopf sich über sie lustig machte. Sie schwankte noch zwischen Empörung und Neugier, als er die Hand hob. »Fehlende Sprachkenntnisse könnten auch dir zum Problem werden. Auf alle Fälle solltest du Italienisch lernen, denn das ist die Sprache der großen Bankiers. Etwas Französisch wäre auch nicht schlecht, aber wichtiger noch ist Spanisch, insbesondere, da du das spanische Weinmonopol in Flandern besitzt.«
    Orlando war klar, dass Lea weniger über Sprachen reden wollte als über den Grund, warum er so weit reiste, um sich für fremde Leute zu verwenden, doch das durfte er ihr nicht auf die Nase binden. Er sah, wie sie Luft holte, um ihm Fragen zu stellen, und setzte seinen Vortrag fort. »Die drei Sprachen sind miteinander verwandt, und wenn du eine von ihnen beherrschst, fällt es dir leichter, die beiden anderen zu lernen. Zum Beispiel heißt Guten Tag auf Französisch ›bonjour‹ und auf Italienisch ›buongiorno‹. Es wird ähnlich geschrieben und klingt auch recht ähnlich. Auf Spanisch lautet dieser Gruß ›buenos dias‹. Das hört sich, wenn man die anderen Begriffe kennt, schon ein wenig vertraut an. Ich bin sicher, dass du mit allen Sprachen zurechtkommen wirst, wenn du dir nur ein wenig Mühe gibst.«
    Orlando amüsierte sich über Leas zweifelnde Miene, wurde dann aber nachdenklich. »Du solltest auch in anderer Hinsicht an dir arbeiten. Mir hat es gestern gar nicht gefallen, wie du dich von mir hast herumstoßen lassen. Auch wenn du ein Jude bist, solltest du ein bisschen Rückgrat zeigen und dich zur Wehr setzen, wenn man dir quer kommt.«
    »Gestern wart Ihr aber recht zufrieden mit meiner Duldsamkeit.«
    »Gestern war auch ein anderer Tag«, antwortete Orlando ungerührt. »Was hätte es für einen Eindruck auf den Herzog gemacht, wenn wir uns gezankt und vielleicht sogar geprügelt hätten? Aber ich fürchte, du ziehst bei jedem, der dich hart anfasst, den Schwanz ein.«
    Er amüsierte sich über das Gesicht, das Lea bei der Anspielung auf ihr nicht vorhandenes männliches Geschlechtsteil zog, und sagte sich, dass es nur recht und billig war, wenn er sie ein wenig damit quälte. Schließlich war es sehr ungehörig, als Mann herumzulaufen und mit Fremden im selben Zimmer zu schlafen. Gleichzeitig erregte ihn der Gedanke, ihr beizubringen, wie sie sich verteidigen konnte, und sie dabei zu berühren.
    »Ich werde dir zeigen, wie man sich gegen Übergriffe und Belästigungen wehrt und sich Respekt verschafft.«
    »Ich weiß nicht, ob das so gut ist«, wandte Lea zögernd ein. »Ein Jude, der sich zur Wehr setzt, wird oft erschlagen wie ein toller Hund.«
    »Du sollst ja auch nicht gegen eine ganze Rotte ankämpfen. Aber es wäre besser, wenn du einen Räuber, der dich um dein Geld bringen, oder einen betrunkenen Lümmel, der nur sein Mütchen an dir kühlen will, in die Schranken weisen kannst.«
    Jochanan, der sich seit ihrer Ankunft so unauffällig verhalten hatte, als wäre er überhaupt nicht vorhanden, hob mit einem Mal den Kopf und nickte eifrig. »Herr Fischkopf hat Recht. Ich bin unterwegs oft genug vor Angst fast gestorben, und ich fände es gut, wenn wir uns nicht alles bieten lassen

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