Die Goldhaendlerin
wollte, hat das Schreien angefangen und mich von den Knechten ihres Hurenwirts als Juden auf die Straße werfen lassen. Wahrscheinlich hatte sie nach einem Blick in meine Börse eine Möglichkeit gesucht, mein Geld an sich zu bringen.«
Man konnte Saul ansehen, dass er sich noch immer über seine Unvorsichtigkeit ärgerte. Jetzt sprudelte er seine Geschichte hervor, als wäre er froh, willige Zuhörer gefunden zu haben. Der Versuch, sein Geld zurückzubekommen, war an den Behörden gescheitert, und er hatte die Stadt nur mit einem Tuch um die Lenden verlassen müssen. Nach zwei hungrigen Nächten war er auf einen Studenten gestoßen, der ohne den Schutz einer Reisegruppe durch das Waldgebirge wanderte, und hatte ihn umgebracht, um an Kleidung und ein paar Münzen zu kommen. Leider war die Beute zu gering gewesen, um noch einmal neu anfangen zu können, und so war er in Hannosweiler hängen geblieben und lebte nun von kleinen Besorgungen für Wirte und ehrbare Bürger und gelegentlich auch von Diebstahl.
»Du siehst, unsere Begegnung kommt mir sehr gelegen«, schloss er seinen Bericht.
Lea begriff, dass der Mann bereit war, zum Äußersten zu gehen, und kämpfte einen weiteren Panikanfall nieder. »Ich besitze wirklich nur ein paar Münzen. Du kannst ja in meinem Beutel nachschauen.«
»Dann hast du eben Pech gehabt.« Saul drückte das Messer fester gegen Leas Hals und ritzte ihre Haut. Ein roter Blutstropfen quoll heraus und rann langsam an ihrer Kehle herab, bis er vom Kragen ihres Mantels aufgesogen wurde.
Jochanan konnte seine Wut kaum mehr beherrschen. »Verdammter Kerl! Wenn du sie umbringst, reiße ich dich in Stücke!«
Saul spuckte ihm vor die Füße. »Entweder bekomme ich Geld, oder ich rufe die Stadtbüttel. Die haben sicher nichts gegen ein wenig Spaß mit einem Judenweib.«
Lea stieß ein ersticktes Fauchen aus. »Verstehst du denn nicht?
Ich habe kein Geld, aber ich kann dir eine Schuldverschreibung ausstellen, die du in der nächsten jüdischen Gemeinde einlösen kannst.«
»Für wie blöd hältst du mich? Du brauchst doch nur diesen Trottel Jochanan vorausschicken, um die Leute deines Geschäftspartners zu warnen. Ich habe keine Lust, als Wasserleiche in einem Fluss zu landen.«
»Ich habe nichts dergleichen vor. Immerhin bist du ein Glaubensbruder, und Juden töten einander nicht. Also sei vernünftig, und nimm eine Anweisung entgegen«, beschwor Lea ihn. Jochanan deutete auf seine Kiepe. »Vielleicht gibt die Ratte sich mit dem Flussgold zufrieden.«
Bei dem Wort Gold flammten Sauls Augen begehrlich auf, und sein Griff löste sich etwas. »Ihr habt Gold dabei? Wie viel?«
Lea schnaubte. »Genug, um eine Kreatur wie dich kaufen zu können.«
»Los, Jochanan, zeig mir das Zeug«, befahl Saul. »Und versuche keine Tricks. Es würde deiner Herrin nicht gut bekommen.«
Die Spitze seines Messers bohrte sich erneut in Leas Haut. Diesmal lief ein dünner, nicht enden wollender Faden ihren Hals hinunter. Jochanan zerrte an seiner Kiepe und brachte schließlich den Mehlsack zum Vorschein. Als er ihn öffnete, bellte Saul ihn an.
»Du willst mich wohl verarschen. Das ist doch nur Mehl.«
»Nicht nur.« Jochanan zog einen prall gefüllten Lederbeutel heraus, öffnete mit zitternden Händen die Schnur und hielt Saul die Öffnung hin.
Als Saul das goldene Geriesel sah, musste er einen Aufschrei unterdrücken. Gleich darauf starrte er Jochanan wieder drohend an. »Gut, das nehme ich. Binde den Beutel zu und lege ihn dort auf den Sims. Dann kommst du in die Laube zurück und wirfst dich flach auf den Boden, verstanden?«
Jochanan zögerte einen Moment, aber Leas Blick ließ ihn tun, was der untreue Knecht von ihm verlangte. In dem Moment, in dem er sich hinwarf, stieß Saul Lea zu Boden, so dass sie über Jochanan fiel, und stürzte aus der Laube. Obwohl sie sofort wieder auf die Beine kam und trotz ihrer Verletzungen wie ein Pfeil aus der Laube herausschoss, war Saul nirgends mehr zu sehen.
Jochanan lief schnüffelnd wie ein Hund die Gasse auf und ab, ohne eine Spur des Gesuchten zu finden, und kehrte dann mit hängendem Kopf zu Lea zurück. »Sollte ich den Kerl in die Hände bekommen, bringe ich ihn um.«
»Du wirst schneller sein müssen als ich.« Leas Stimme klang beinahe gleichmütig, doch ihre Miene verriet, wie ernst sie es mit dieser Drohung meinte. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie Roland Fischkopf bitten sollte, ihr bei der Suche nach Saul zu helfen. Aber dazu hätte sie ihm
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