Die Goldhaendlerin
endlich wieder daheim bist, Orlando. Es ist etwas Schreckliches geschehen. Dein Onkel Ammon ist in die Fänge der Inquisition geraten.«
»Ammon?« Orlando begriff erst im zweiten Augenblick, dass sie ihren Bruder Rodrigo meinte. Im Allgemeinen verwendeten sie auch innerhalb der Familie keine jüdischen Namen und hatten hier in Hamburg sogar die spanischen Namen abgelegt, die in ihrer Familie üblich gewesen waren, seit sein Großvater Ephraim vor beinahe fünfzig Jahren nicht ganz freiwillig zum Christentum übergetreten und auf den Namen Ramon Terasa getauft worden war. Obwohl sein Vorfahr heimlich am jüdischen Glauben festgehalten hatte, war er später sogar in den Stand eines Hidalgo aufgestiegen, doch die christlichen Adeligen hatten ihn als Converso beschimpft und nie als ihresgleichen anerkannt.
Orlando schüttelte die Erinnerung an eine Zeit ab, die er nur aus Erzählungen kannte, und löste sich aus den Armen seiner Mutter. »Was ist mit Onkel Rodrigo?«
»Er wurde beschuldigt, immer noch den Gesetzen Judas zu gehorchen. Zwar konnte er aus Sevilla entkommen und zusammen mit seiner Familie im Konvent von San Juan de Bereja Zuflucht suchen, doch auch da sind sie nicht sicher. Jeden Tag kann man sie herausholen und in die Kerker der Inquisition schaffen, und was dort mit ihnen geschieht, weißt du ja selbst. Wenn du kein Wunder geschehen lässt, wird man ihn so lange foltern, bis er Freunde und Nachbarn mit in den Untergang reißt, und ihn dann bei lebendigem Leib verbrennen.«
Orlando sah seiner Mutter an, dass sie außer sich vor Angst und Sorge um ihren Bruder war, und er konnte es ihr nicht verdenken. Wer einmal in die Fänge der Inquisition geriet, hatte kaum eine Chance, ihr lebendig zu entrinnen. »Das ist wirklich eine schlimme Nachricht, Mama. Aber ich verspreche dir, es wird alles gut werden. Ich werde Onkel Rodrigo herausholen.«
»Nein, das wirst du nicht! Ich verbiete dir, noch einmal nach Spanien zu fahren.« Don Manuel Terasa de Quereda war an die Tür getreten. Mit der einen Hand stützte er sich auf eine Krücke, mit der anderen klammerte er sich an den Türrahmen, um aufrecht stehen zu können. Er war ein hagerer, mittelgroßer Mann mit einem scharf geschnittenen Gesicht und schwarzen Augen, in denen jetzt ein lichtloses Feuer zu flackern schien.
»Hast du mich verstanden, Orlando? Du gehst nicht noch einmal nach Spanien, nie mehr!« Da Orlando immer noch nicht antwortete, stieß er die Krücke auf den Boden, so dass er beinahe sein Gleichgewicht verlor.
Alisio eilte an seine Seite, um ihn zu stützen. »Herr, Ihr dürft doch nicht alleine aufstehen, und noch viel weniger Euch aufregen.«
»Beides ist manchmal notwendig«, antwortete Don Manuel mit sanfter Stimme, während sein Blick Frau und Sohn durchbohrte. »Rodrigo kannte das Risiko, das er einging, aber er wollte unbedingt in Spanien bleiben. Hätte er auf meinen Rat gehört, würde er schon seit Jahren bei uns in Frieden leben und brauchte weder die Qualen der Folter noch die Flammen eines Autodafés zu fürchten.«
So leicht war Doña Léonora jedoch nicht zum Schweigen zu bringen. Sie klammerte sich an ihren Sohn und starrte Don Manuel vorwurfsvoll an. »Orlando hat vielen uns unbekannten Glaubensbrüdern die Flucht ermöglicht und soll nun sein eigenes Blut den Henkersknechten überlassen? Ich habe meinen Vater an die grausamen Mönche verloren und will nicht, dass mein Bruder dessen Schicksal teilt.«
»Aber deinen Sohn willst du ohne Bedenken opfern, Weib!«, brach es aus Don Manuel heraus. »Begreifst du denn nicht, dass das Ganze eine Falle der Spanier ist, um Orlandos habhaft zu werden? Man hätte Rodrigo nie aus Sevilla entkommen lassen, wenn man ihn hätte sofort verhaften wollen. Nein, Orlando ist ihr Ziel. Er hat den Herren der Inquisition schon zu viele Juden und Conversos aus Spanien herausgeschafft und ihnen geholfen, den größten Teil ihres Vermögens in Sicherheit zu bringen. Wir wissen doch alle, dass es den Inquisitoren und denen, die hinter ihnen stehen, nur zum geringsten Teil auf die angeblichen Ketzer selbst ankommt, sondern auf das Gold und die Güter, die sie bei ihnen erbeuten. Ich habe sichere Kunde, dass der Herzog von Montoya und seine Freunde dreitausend Reales auf Orlandos Kopf ausgesetzt haben. Dein Bruder hat davon erfahren und ist trotzdem in Spanien geblieben. Soll unser Sohn wegen Rodrigos Dummheit sterben?«
Orlando breitete die Arme aus. »Vielleicht hat die Sache tatsächlich nichts
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