Die Goldhaendlerin
mit mir zu tun. Ich habe von dem Herzog von Burgund erfahren, dass Königin Isabella und ihr Gemahl einen Feldzug gegen Granada planen. Kastilien und Aragon haben schon oft Juden und Conversos festgesetzt, um Geld für ihre Kriege von ihnen zu erpressen.«
»Das ist möglich.« Don Manuels Miene war nicht zu entnehmen, welche Annahme ihm wahrscheinlicher erschien. Doña Léonora warf die Arme hoch und begann zu schluchzen.
»Sie werden Ammon nicht freilassen, und wenn er ihnen sein ganzes Vermögen in den Rachen steckt. Nein, sie werden ihm die Glieder unter der Folter brechen und ihn dann bei einem ihrer schrecklichen Autodafés zur Belustigung des Pöbels verbrennen, so wie sie es mit meinem Vater gemacht haben. Orlando ist seine einzige Rettung!«
Don Manuel schlug mit der linken Hand gegen den Türbalken und verlor das mühsam bewahrte Gleichgewicht. Die Tatsache, dass Alisio ihn auffing, hob seine Laune nicht gerade. »Orlando wird gar nichts sein. Er geht nicht nach Spanien. Und damit Schluss.«
»Aber er ist doch ein so kluger Junge. Erinnere dich daran, wie er dich gerettet hat, obwohl er noch ein Kind war.«
Don Manuels Gesicht verzerrte sich, als er sich jener schrecklichen Tage entsann, in denen neidische Nachbarn ihn als heimlichen Juden angeklagt hatten. Die kirchlichen Behörden hatten ihn daraufhin verhaftet und wochenlang gefoltert, um ihn zu einem Geständnis zu zwingen. Orlando, der damals gerade zwölf geworden war, hatte seinen Beichtvater José Albañez, den Bruder des Almosengebers der Königin Isabella, dazu gebracht, ihn aus dem Kerker herauszuholen. Der Pater, der im Gegensatz zu anderen Klerikern kein Judenfeind gewesen war, hatte ihm geraten, Spanien sofort zu verlassen, da er nicht mächtig genug sei, ihn und seine Familie auf Dauer vor dem Zugriff der Inquisitoren zu bewahren. Diesem Rat hatte Don Manuel schneller folgen können, als seine Verfolger erwartet hatten, denn der junge Orlando hatte in einer Voraussicht, die niemand einem Knaben dieses Alters zugetraut hätte, bereits alles für eine heimliche Abreise vorbereitet gehabt.
Auf der Suche nach einer neuen Heimat hatten sie weit reisen müssen, denn ein entkommener Converso konnte sich in jenen Regionen des Reiches Deutscher Nation, zu deren Bischöfen und Äbten die Inquisitoren gute Verbindungen hatten, nicht sicher fühlen. So hatten sie ihr Glück im Norden gesucht und waren in Hamburg aufgenommen worden. Die Bürger dieser Stadt kümmerte es zum Glück nicht, ob ein spanischer Kaufmann seinen christlichen Glauben bereits mit der Muttermilch eingesogen hatte oder heimlich jüdischen Riten frönte.
Don Manuel schüttelte schwer atmend den Kopf. »Ich habe es nicht vergessen, Weib. Wie könnte ich auch, denn schließlich hat die Gefangenschaft mich die Gesundheit und den Gebrauch meiner Glieder gekostet. Damals bestand für Orlando jedoch keine Gefahr für Leib und Leben. Die kirchlichen Judenjäger hätten ihn höchstens in ein Kloster gesteckt und einen Geschorenen aus ihm gemacht. Doch jetzt würden sie ihn zum höheren Lobe Gottes und im Angesicht der Majestäten auf einem möglichst langsam schwelenden Scheiterhaufen verbrennen.«
Warnend hob er die Krücke und schüttelte sie gegen seinen Sohn. »Wage es nicht, dich heimlich davonzuschleichen, und höre endlich mit deinen verrückten Abenteuern auf. Ich will, dass du wie ein ehrlicher Kaufmann lebst, dir ein Weib suchst und mir Enkel verschaffst.«
Doña Léonora lachte bitter auf. »Wie soll er denn hier eine Frau finden? Außer uns lebt niemand von unserem Volk in dieser Stadt, und was die Aschkenasim aus Altona betrifft, so verachten sie uns Conversos noch mehr als die Christen.«
Don Manuel wies mit dem Kinn durch das kleine Flurfenster auf den Giebel jenseits des Kanals. »Dann soll er mir eben einen der Flachsköpfe aus dieser Gegend ins Haus bringen.«
»Nein! Ich dulde keine Christin im Haus!«
»Gott hat Männer und Frauen geschaffen, aber keine Juden und Christen. Ein hiesiges Mädchen wird Orlando eine ebenso gute Frau sein wie eine Jüdin aus Sevilla oder Toledo.«
»Oder eine genauso schlechte.« Orlando hielt es an der Zeit, sich in Erinnerung zu bringen, denn schließlich ging es ja um ihn.
Sein Vater bedachte ihn mit einem zornigen Blick, sagte jedoch nichts, während die Mutter sichtlich aufatmete. »Nur ein jüdisches Mädchen wird dich glücklich machen können, mein Sohn.«
Leas Bild stieg in Orlandos Gedanken auf, und er stellte sich vor,
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