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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vorgeschrieben war, doch in ihren Augen war das das kleinere Übel.
    Nachdem mit Falmouth der letzte englische Hafen hinter ihnen zurückgeblieben war, richtete Jan Ruyters den Bug seines Schiffes nach Südwesten und ließ alle Segel setzen, so dass die »Zwaluw« mit einem Mal über das Wasser zu fliegen schien. Vom Zahlmeister erfuhr Lea, dass der Kapitän sowohl den bedrohlichen Herbststürmen im Golf von Biscaya wie auch den von Brest und Saint Malo aus operierenden französischen Kaperschiffen entgehen wollte. Gelänge es Karl VIII. von Frankreich, die Gesandten seines Feindes Maximilian in die Hände zu bekommen, besäße er nicht nur ein Faustpfand, sondern würde auch versuchen, ihnen die Kriegspläne des Burgunderherzogs zu entreißen.
    Bis dahin hatte Lea die Seereise eher für einen vergnüglichen Ausflug gehalten und war überzeugt gewesen, frühestens in Spanien Gefahren begegnen zu können. Nach dieser Auskunft aber machte ihr jedes Segel Angst, das der Mann im Ausguck meldete. Auch zeigten ihr die hohen Wogen des Atlantischen Ozeans, die sich im Golf von Biscaya auftürmten und die »Zwaluw« wie eine Nussschale auf dem Wasser tanzen ließen, dass auch dieses große Schiff dem Wüten der Naturgewalten hilflos ausgeliefert war. Jetzt verstand sie, warum die Matrosen, die sie für eisenharte Kerle gehalten hatte, bei jeder Gelegenheit ihre Heiligen anriefen und um Schutz anflehten. Sie selbst konnte den Gott ihrer Väter nur in Gedanken bitten, sie unversehrt an ihr Ziel zu bringen.

8.
    Um die »Zwaluw« von Frankreichs Küsten fern zu halten, musste Jan Ruyters sein Schiff etliche hundert Meilen über die offene See steuern, und daher war kein anderer an Bord so erleichtert wie er selbst, als im Süden die Berge Asturiens über der Kimm erschienen. Er umrundete Kap Ortegal im ehrfurchtsvollen Abstand und lief auf die galizische Stadt La Coruna zu, den nächstgelegenen spanischen Hafen im Norden. Die Aufregung an Bord steigerte sich mit jeder Meile, die sich die »Zwaluw« der Küste näherte. Als das Schiff schließlich im Hafen lag, erwartete nicht nur Lea, dass sie von Bord gehen und von La Coruna aus über Land weiterreisen würden. Doch vor dem Schiff zogen Soldaten auf, und deren Kommandant verbot jedermann, das Schiff zu verlassen. Einige der Edelleute, die gehofft hatten, auf dem Weg zu den spanischen Königen den Wallfahrtsort Santiago de Compostela besuchen und dort am Grab des heiligen Jakobus beten zu können, beschwerten sich zunächst höflich, aber als man ihnen schroffe Antworten gab, vergaßen sie, was sie ihrem Stand schuldig waren, und zeterten wie Marktweiber.
    Die Flüche halfen ihnen jedoch ebenso wenig wie ihre Bitten. Der Offizier erlaubte dem Kapitän nur, Frischwasser zu fassen, und schickte ihm einen Lotsen mit zwei Gehilfen an Bord, der die »Zwaluw« auf ihrer weiteren Fahrt begleiten sollte. Dieser befahl Ruyters auf der Stelle abzulegen. Lea stellte schnell fest, dass die Augen des angeblichen Lotsen sich mehr mit den Menschen an Bord als mit dem Schiff selbst beschäftigten, und seine Fragen deuteten ebenfalls daraufhin, dass er die Aufgabe hatte, die Gesandtschaft zu überwachen. Jan Ruyters blieb nichts anderes übrig, als den Bug der »Zwaluw« wieder auf die See hinauszurichten. Am späten Nachmittag umrundeten sie Kap Finisterre und segelten in die Nacht hinein. Obwohl die Küste zu ihrer Linken immer in Sichtweite blieb, untersagte ihnen der Lotse, in einen der Häfen einzulaufen, und nachdem sie die Mündung des Minho hinter sich gelassen hatten, befahl er einen größeren Abstand zum Land, da das Verhältnis zwischen den Spanischen Reichen und ihrem Nachbarn Portugal nicht ohne Spannungen war und die Gefahr bestand, dass König João II. die »Zwaluw« abfangen ließ.
    Für Ruyters hieß dies, dass er die Häfen Portugals ebenso meiden musste wie die französischen. Sein einziger Trost war das gute Wetter und der günstig stehende Wind. Hatte die »Zwaluw« im Norden schon die ersten Ausläufer der gefürchteten Biskaya-Stürme abgeritten, so segelte sie jetzt in einem sich sanft wiegenden, blauen Meer, und schon bald blieben die Kaps von da Roca und São Vicente backbord zurück.
    Die Stimmung an Bord sank mit jedem Reisetag, und sie hellte sich auch nur kurz auf, als die »Zwaluw« nach einer schier endlos erscheinenden Reise in die Mündung des Guadalquivir einlief und im Hafen von Sanlúcar de Barrameda festmachte. Hatten die Mitglieder der Delegation

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