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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Wasser hängendes zerfleddertes Tauende ein, mit dessen Hilfe sie sich den Hintern putzten, bevor sie auf das feste Deck zurückkehrten.
    Nach dem Genuss etlicher Becher burgundischen Weines kam de Poleur auf den Gedanken, es den hartgesottenen Seeleuten gleichzutun. Unter dem johlenden Beifall seiner Freunde kletterte er auf das Netz hinaus, wobei er sich nicht nur des Weines wegen um einiges schwerer tat als die Matrosen, und löste, während er sich mit der linken Hand krampfhaft an einer Leine festhielt, mit der Rechten seinen Gürtel. Weiter kam er nicht, denn die Ledersohlen seiner Schuhe rutschten auf dem glitschigen Tauwerk ab, und er stürzte über den Rand des Netzes ins Wasser.
    Um nicht Zeuge von de Poleurs verrücktem Vorhaben werden zu müssen, hatte Lea sich zum Schiffsheck zurückgezogen. Der erschreckte Aufschrei der anderen ließ sie an die Reling eilen, und als sie über die Bordwand blickte, sah sie de Poleur hilflos mit den Armen schlagend auf sich zutreiben. Ohne nachzudenken griff sie nach einer Taurolle, die neben ihr hing, und warf de Poleur ein Ende zu. Der junge Mann, der im eisigen Nordseewasser auf einen Schlag nüchtern geworden war, packte das Seil und war kaltblütig genug, es mehrmals um den Arm zu wickeln, damit es ihm nicht aus den Händen gerissen wurde. Lea hatte das andere Ende um einen Belegnagel geschlungen, der in einer Halterung steckte, und versuchte, den Mann an Bord zu ziehen, doch ihre Kräfte waren zu gering. Zum Glück hatten mehrere Matrosen den Zwischenfall bemerkt und eilten ihr zu Hilfe. Kurz darauf stand de Poleur wieder auf dem trockenen Deck. In seinem durchnässten Wams und den auf den Knien hängenden Strumpfhosen wirkte er lächerlich, und das war ihm durchaus bewusst. Trotzdem bedankte er sich zuerst überschwänglich bei seinem Freund Léon, bevor er seine Hose hochzog, um seine Blöße zu bedecken.
    »Das war wirklich Hilfe in höchster Not! Ich werde es dir nie vergessen und dir in ewiger Freundschaft verbunden bleiben, glaube mir! Aber eins ärgert mich gewaltig.«
    »Was denn?«, fragte Lea verblüfft.
    De Poleur deutete nach achtern, wo in der Ferne ein bunter Gegenstand auf den Wellen schaukelte. »Bei dem Ganzen habe ich meinen Hut verloren. Er hat mich fünf Gulden gekostet – und das war noch ein guter Preis. Jetzt wird Neptun ihn aufsetzen und sagen, dass Thibaut de Poleur einen ausgezeichneten Geschmack hat.«
    Hérault de la Massoulet musste lachen. »Sei doch froh, dass er nur deinen Hut bekommt und nicht auch noch deine Schuhe, Hosen und dein Wams und dich gleich mit dazu. Nimm in Zukunft den Abtritt, wie es sich für einen Edelmann gehört.«
    De Poleur nickte leicht geknickt. »Du hast Recht. Ein Bad im Salzwasser reicht mir. Es brennt abscheulich in den Augen.«
    Lea tippte ihn auf die Schulter. »Du solltest unter Deck gehen und dich umziehen, sonst holst du dir in dem kalten Wind noch den Tod.«
    »Ach, Léon, du hast wie immer Recht. Manchmal denke ich, durch deine Adern rinnt Salzwasser, denn du wirkst immer so kühl und beherrscht.« De Poleur konnte schon wieder lächeln, wenn es auch noch kläglich wirkte.
    »Danke Gott dafür, denn sonst könntest du jetzt deinen Charme an Neptuns Töchtern erproben.« De la Massoulet gab ihm einen freundschaftlichen Klaps und schob ihn unbarmherzig auf die Leiter zu, die ins Zwischendeck führte.
    Diese Begebenheit vertiefte die Freundschaft zwischen Lea und den vier jungen Männern und stärkte auch ihre Position an Bord. Thibaut de Poleur überschüttete sie förmlich mit seinem Dank, und selbst van Grovius ließ ihr durch Laurens von Haalen seine Anerkennung aussprechen. Der Einzige, den der Zwischenfall nicht zu kümmern schien, war der Kapitän. Als die englische Küste in Sicht kam, steuerte er als Erstes den Hafen von Sandwich an, in dem sie die Nacht verbrachten, und segelte dann in gemütlichen Etappen den Kanal entlang. Rhye, Portsmouth, Torquay und Plymouth waren seine nächsten Ziele. Lea und ihre Begleiter nutzten die Zeit in den Häfen, um sich die Füße zu vertreten und das Angebot der englischen Tavernen zu erproben. Während de Poleur und die anderen über die einheimische Küche spotteten, war Lea sehr damit zufrieden. In Wasser gekochtes Gemüse sowie gekochtes oder gebratenes Rind- und Lammfleisch machten es ihr leichter, wenigstens halbwegs nach den Regeln ihres Glaubens zu leben, ohne dabei aufzufallen. Die Tiere waren zwar nicht geschachtet worden, wie es für fromme Juden

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