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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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erwartet, dort als Gäste empfangen und auf schnellstem Weg zu Königin Isabella und ihrem Gemahl geleitet zu werden, wurden sie bitter enttäuscht. Zuerst verbot man ihnen, von Bord zu gehen, und als man es ihnen endlich gestattete, waren überall Soldaten aufgezogen.
    Dann tauchte ein hoch gewachsener Edelmann mit langem, scharf geschnittenem Gesicht und durchdringenden dunklen Augen auf. Sein grünes, reichlich mit Goldstickereien verziertes Brokatwams, die roten Kniehosen aus Seide und der an einen Blumentopf erinnernde Samthut, der steif auf dem lockigen, blonden Haar saß, verblüfften die Gäste, und alle Augen folgten ihm, während er den Führer der Gesandtschaft herablassend, aber so freundlich begrüßte, als wäre Frans van Grovius ein willkommener Gast. Der Burgunder verlieh seinem Ärger über diesen seltsamen Empfang in gestelzten Worten Ausdruck, doch der Spanier, der sich ihm als Manuel Alonzo de Coronerà, Herzog von Montoya, vorgestellt hatte, erklärte ihm lächelnd, dass die vereinigten Reiche von Kastilien und Aragon sich im Krieg befänden und daher gewisse Maßnahmen unumgänglich seien.
    »Der tut so, als wären wir alle Spione der Franzosen oder – noch schlimmer – der Mauren«, raunte Thibaut de Poleur seinen Freunden zu.
    Lea gab ihm Recht. Die Spanier behandelten sie trotz ihrer freundlichen Worte wie ungebetene Gäste, die von einer gefährlichen Seuche befallen waren, und trieben die Delegation mitsamt der Dienerschaft wie eine Herde Schafe zum Kloster San Isidro, das eine halbe Stunde außerhalb von Sanlúcar de Barrameda lag. Die Spanier hatten einen Teil der Anlage von den Mönchen geräumt und setzten die burgundische Abordnung nun dort fest. Niemand, nicht einmal Frans van Grovius, durfte das schwer bewachte Gelände verlassen. Zu Leas stiller Freude waren die Zellen so klein, dass nur eine Person darin hausen konnte, und so genoss sie zum ersten Mal, seitdem sie Antwerpen verlassen hatte, wieder ihre ungeteilte Privatsphäre. Allerdings bedauerte sie, dass die »Zwaluw« nicht in Palos de la Frontera gelandet war, denn dort hätte man sie im Kloster La Rabida unterbringen müssen, dessen Abt Juan Perez Orlando als einen der Männer bezeichnet hatte, von denen sie Hilfe erwarten konnte.
    Leas Freunde de Poleur, de la Massoulet, van Haalen und von Kandern bewohnten die Zellen neben ihr, doch im Gegensatz zu ihr kamen die jungen Männer weder mit den beengten Verhältnissen noch mit der Langeweile zurecht, die sich schon bald wie eine ansteckende Krankheit ausbreitete. Daher begrüßten die vier den Befehl der Spanier, dass sich die Gesandten mit ihrem Gefolge und den Bediensteten auf dem Klosterhof aufzustellen hätten, als willkommene Abwechslung nach dem wochenlangen Eingesperrtsein im Klostergebäude.
    Als sie wie Rekruten in Reih und Glied standen und Frans van Grovius vor Wut bereits purpurrot angelaufen war, erschien der Herzog von Montoya. Er war auch diesmal so prächtig gekleidet, dass sein Aufzug das Sonnenlicht wiederspiegelte und die Augen blendete, und trug zudem ein juwelengeschmücktes Schwert an der Seite. Zwei Mönche im schwarzen Habit der Dominikaner begleiteten ihn. Ihre dunklen Augen sogen sich an den Gesichtern der Burgunder fest, als wollten sie jedem von ihnen bis in die Tiefen seiner Seele schauen.
    Frans van Grovius trat vor, um gegen die entwürdigende Behandlung zu protestieren. Der Herzog hob die Hand und deutete auf die Burgunder. »Es wäre mir eine Freude, wenn Ihr mir die Mitglieder Eurer Gesandtschaft persönlich vorstellen würdet«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
    Lea konnte van Grovius’ Zähneknirschen nahezu hören, doch der Flame wagte keinen Widerstand. Während er die hohen Herren vorstellte, verbeugten sie sich der Etikette gemäß so, wie es ihrem Rang zukam. Der Spanier erwiderte die Verbeugungen in einer lässigen Art, die zeigen sollte, dass er niemandem Vorrang vor sich selbst einräumte.
    Montoyas Interesse galt jedoch weniger den hochrangigen Edelleuten, sondern dem Schwarm von Begleitern, und die beiden Mönche wirkten, als sie an den jungen Edelleuten vorbeischritten, wie Geier, die auf ein verendetes Wild lauerten. Bei Frans van Haalen stutzten sie, und einer nahm prüfend eine seiner blonden, bis auf die Schultern fallenden Locken zwischen die Finger, um festzustellen, ob die Farbe echt war.
    Dann blieben sie vor de la Massoulet stehen, der etwas größer war als Lea und dunkles Haar und einen schmalen

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