Die Goldhaendlerin
Jan Ruyters beim Herumkommandieren ihrer Matrosen erinnerte.
Don Diego fuhr wütend auf. »Damit beleidigt Ihr Seine Durchlaucht, den Herzog von Montoya, den ehrwürdigen Dekan der Universität von Salamanca und viele andere weise und mächtige Herren in Spanien!«
»Dummheit macht auch vor den höchsten Kreisen der Gesellschaft nicht Halt«, antwortete der Genuese ungerührt. Der ihn begleitende Mönch legte ihm lächelnd die Hand auf die Schulter. »Señor Colombo, Ihr hattet mir doch versprochen, etwas verbindlicher zu sein.«
»Hast du eine Ahnung, wer der Kerl ist?«, wisperte de Poleur Lea zu.
Sie schüttelte den Kopf, ohne Colombo aus den Augen zu lassen. Er musste etwa vierzig Jahre alt sein und war von mittelgroßer, untersetzter Gestalt und seinem ständig wechselnden Mienenspiel zufolge von heftigem Temperament. Sein Gesicht wirkte etwas rundlich und wies tiefe Kerben neben seinen Mundwinkeln auf, die von vielen Enttäuschungen und Nackenschlägen zeugten. Seine Augen aber strahlten einen ungebrochenen Optimismus und eine Verachtung für die Welt aus, von der er sich offensichtlich verkannt fühlte. Die Haare, die unter seiner Kappe hervorragten und gerade lang genug waren, um die Ohren zu bedecken, leuchteten so weiß wie die eines alten Mannes.
Don Diego beschloss, den Genuesen zu ignorieren, und wandte sich an den Mönch. »Ehrwürdiger Vater, Ihr seid doch gewiss nicht nur gekommen, um uns Señor Colombo vorzustellen.«
Lea fiel das seltsame Lächeln auf den Lippen des Mönches auf und winkte den Lakaien heran, der sie bediente. »Wer ist der geistliche Herr, der eben gekommen ist?«
»Das ist Juan Perez, der ehrwürdige Abt von La Rabida und frühere Schatzmeister der Königin«, erhielt sie zur Antwort. Lea wurde starr vor Erregung. Das war einer der Männer, die Orlando ihr genannt hatte, und sie überlegte, was sie tun konnte, um in Juan Perez’ Nähe zu kommen und ihn unauffällig anzusprechen. Leider schien der Abt sich nicht für die burgundische Delegation zu interessieren, denn er warf den Männern an der Tafel nur einen beinahe mitleidigen Blick zu und wandte sich wieder an Diego de Arandela.
»Es ist der Wille Ihrer Majestät, Königin Isabella, Señor Colombo noch einmal zu empfangen. Da Ihr, wie ich erfahren habe, in Kürze an den Hof reist, bitte ich Euch, Euch meines Gastes anzunehmen.«
Obwohl Juan Perez sein Anliegen sehr höflich formuliert hatte, war Don Diego klar, dass es sich um einen Befehl handelte. Er schluckte seinen Ärger hinunter und verneigte sich mit einem verkniffenen: »Es wird mir eine Freude sein«.
Juan Perez’ Miene spiegelte nur sanfte Freundlichkeit. »Das hoffe ich, Don Diego.«
Diego de Arandela beschloss, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen, und verbeugte sich erneut vor dem Abt von La Rabida.
»Ihr werdet doch an diesem Abend mein Gast sein?«
Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Leider nein. Ich bedauere, mich sofort wieder verabschieden zu müssen, aber wichtige Geschäfte erfordern meine sofortige Abreise. Señor Colombo wird es jedoch eine Ehre sein, an Eurem Tisch zu speisen. Er hat sich bereits beklagt, dass er heute noch nicht zum Essen gekommen ist.«
Don Diego nickte schicksalsergeben, winkte einen Diener herbei und befahl ihm, den Genuesen an einen freien Platz zu führen und ihm aufzuwarten.
Juan Perez reichte Colombo zum Abschied die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich wünsche Euch mehr Glück als beim letzten Mal, Señor. Ihr werdet es brauchen.«
»Die Königin wird sich der Kraft meiner Argumente letztendlich nicht entziehen können«, antwortete der Genuese selbstbewusst und sah dem Abt nach, bis dieser den Saal verlassen hatte. Orlando hatte Lea zwar erklärt, dass es zwischen den Brüdern des heiligen Franziskus, die der heiligen Inquisition eher ablehnend gegenüberstanden, und den Mönchen des Dominikanerordens, denen ebendiese Inquisition besondere Macht verlieh, eine gewisse Feindschaft herrschte, aber sie hätte sich nicht vorstellen können, dass Juan Perez die Einladung, hier zu speisen, so schroff und fast schon beleidigend ablehnen würde. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und ihm gefolgt, doch damit hätte sie nur unnötiges Aufsehen erregt. So konnte sie nur hoffen, dass sich ihr noch eine andere Gelegenheit bieten würde, mit einem von Orlandos Gewährsleuten zu sprechen. Während ihre Gedanken sich noch mit ihrem Auftrag beschäftigten, führte der Diener Colombo auf den einzigen freien
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