Die Goldhaendlerin
werden etwas hurtiger traben müssen, um unser Ziel zu erreichen.«
»Welches Ziel?«
»Nun, welches denn wohl? Granada natürlich!«
»Aber die Stadt ist doch noch in der Hand der Mauren«, wandte Lea verblüfft ein.
»Noch haben wir die Stadt nicht eingenommen, das ist richtig, aber es lohnt sich, sie aus der Ferne zu betrachten. Wer weiß, was von ihrer Pracht übrig bleibt, wenn der Krieg in ihren Mauern tobt.«
Der Herzog ritt einen makellos schwarzen Hengst, der auf die geringste Bewegung seines Herrn reagierte und nun in einen schnellen Trab fiel. Cereza versuchte, an seiner Seite zu bleiben, und ließ Lea wie einen Ball im Sattel hüpfen.
»Stellt Euch in den Steigbügeln auf!«, rief der Herzog ihr zu.
Lea versuchte es, konnte sich aber nicht halten und klatschte so heftig auf den Sattel, dass sie den Schlag noch im Genick spürte. Gleichzeitig ärgerte sie sich über Orlando, der doch hätte wissen müssen, dass sie die für Juden unübliche Kunst des Reitens nie gelernt hatte und in Spanien nicht umhinkommen würde, ein Pferd zu besteigen. Sie wünschte, er hätte ihr wenigstens die Grundzüge beigebracht, denn sie fühlte sich vor dem Herzog bis auf die Knochen blamiert, und zudem wurde ihr langsam klar, dass sie ein Pferd benötigen würde, um ihren geheimen Auftrag zu erfüllen.
Während Cereza Medicanelis Hengst mehr von sich aus folgte, als von ihr gelenkt zu werden, badete Lea sich in einem See aus Selbstmitleid und Vorwürfen gegenüber Orlando. Ein Teil ihres Gehirns fragte sie jedoch, wie es ihm hätte gelingen sollen, ihr auf der schnellen Rheinbarke van Duyls das Reiten beizubringen. Er war auch nur ein Mensch und zudem in größter Sorge um Baramosta gewesen. Die Überlegungen beschäftigten sie so, dass sie die Beschwerden des Rittes ein wenig vergaß und ihr Körper sich instinktiv den Bewegungen der Stute anpasste. Dennoch war sie schließlich heilfroh, als Medicaneli seinen Rappen auf einer Hügelkuppe zügelte und ins Tal hinabwies, wo die maurische Stadt lag.
Granada wirkte wie ein Bild aus einer verzauberten Welt. Die hellroten Ziegeldächer der Häuser und Paläste inmitten der Olivenhaine und Palmengärten leuchteten wie der Spiegel eines Sees, den der Sonnenaufgang färbt, und die Mauern und Stadttore wirkten wehrhaft und verspielt zugleich. Lea konnte sogar die Menschen erkennen, die durch die Straßen hasteten, hauptsächlich Mägde mit Krügen auf den Schultern und Männer mit Turbanen in weiten Kaftanen. Einen Augenblick später rannte eine große Anzahl gepanzerter Krieger aus einem der Gebäude und stürmte auf das Tor zu, das sich genau in Leas Richtung öffnete.
»Wenn wir nicht rasch von hier verschwinden, werden uns die Mauren gefangen nehmen«, sagte sie besorgt.
Medicaneli schüttelte lächelnd den Kopf. »Man hat nicht unsertwegen Alarm gegeben, Saint Jacques, sondern wegen der Soldaten dort.«
Er deutete auf eine Kompanie Arkebusiere, welche das persönliche Wappen Königin Isabellas auf ihren Röcken trugen, ein Bündel aus blutroten Pfeilen über dem Turm Kastiliens, und die auf die Stadt zurückten. »Ihre Majestät hält eine gewisse Demonstration ihrer Macht für nötig, um Boabdils Bereitschaft zur Kapitulation zu erhöhen.«
Lea hatte inzwischen erfahren, dass die Spanier Mohammed XII. verachteten, weil er sich mit seinen Truppen in Granada verschanzt hielt, anstatt dem Gegner auf freiem Feld zu begegnen. Da sie mittlerweile drei Wochen im Feldlager des spanischen Königspaars verbracht hatte, verstand sie die Haltung des Emirs. Sie hatte nie ein raueres Kriegsvolk gesehen als die Männer, die hier um Granada versammelt waren. Jeder von ihnen achtete ein Leben weniger als einen Maravedi, und alle gierten danach, die Muslime in Granada abzuschlachten und sich ihre Reichtümer anzueignen.
Die Arkebusiere entdeckten jetzt die beiden Reiter. Ihr Hauptmann, der mit dem blanken Schwert in der Hand auf einem kräftigen Falben ritt, befahl seinen Männern, weiter vorzurücken. Er selber scherte aus und kam mit hochmütiger Miene näher, aber als er den Herzog erkannte, nahm sein Gesicht einen beinahe lächerlich devoten Ausdruck an. Er steckte sein Schwert in die Scheide und versuchte, sich im Sattel zu verbeugen. »Verzeiht, Euer Gnaden, ich wusste nicht, dass Ihr den Angriff persönlich überwachen wollt.«
Der Herzog hob beschwichtigend die Hand. »Ich will Euren Angriff nicht überwachen, Redonzo. Ich kam nur zufällig in die Gegend, um unserem
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