Die Goldhaendlerin
Gesicht, als wollte er aufbrausen, fiel aber sofort wieder in sich zusammen. »Versteht Ihr denn nicht? Wir sind alle verloren!«
»Wenn Ihr so denkt, denn legt Euch doch gleich einen Strick um den Hals und rutscht auf Knien zu Montoya.« Lea holte tief Luft, um nicht noch mehr zu sagen, denn sie hatte mehr Verständnis für den Mann, als sie sich selbst eingestehen mochte. Sie fürchtete zwar weniger für ihre eigene Sicherheit, aber sie kam fast um bei dem Gedanken, was man Orlando gerade antun mochte. Die Vorstellung, dass man ihm in diesem Moment auf der Folterbank die Glieder ausrenkte oder Feuer seine Haut zerfraß, bereitete ihr Übelkeit. So durfte er einfach nicht enden, und wenn sie den Herzog von Montoya eigenhändig umbringen musste, um es zu verhindern.
Bei dieser eher lächerlichen Vorstellung rief sie sich zur Ordnung, denn aus Verzweiflung oder Spinnereien entstanden nur selten gute Pläne. In dem Augenblick musste sie an ihre Begegnung mit Colombo denken, der nach Frankreich unterwegs war. Er war kein Spinner, denn sonst wäre die Königin nicht von seinen Plänen angetan gewesen. Soviel sie wusste, hatte Isabella nur aus Geldmangel und übergroßem Stolz darauf verzichtet, Colombos Schiffe auszurüsten und ihn nach Westen zu schicken. Lea dachte, dass es im Leben zuging wie in einer Schachpartie. Solange der König nicht matt gesetzt war, gab es immer noch einen Zug, und in dieser Partie war die Königin die entscheidende Figur.
Medicaneli zuckte zusammen und verstummte, als Lea im Sattel herumfuhr und die Hand auf seinen Arm legte. »Seid Ihr in der Lage, mir so schnell wie möglich eine Privataudienz bei der Königin zu verschaffen?«
Der Herzog starrte sie verblüfft an. »Was wollt Ihr von Isabella?
Sie wird uns auch nicht helfen können. Im Gegenteil, Ihr würdet die Sache noch schlimmer machen.«
»Haltet Euch nicht mit Schwarzseherei auf, sondern tut es einfach. Die Zeit drängt!«
Lea sah, wie es an seiner spanischen Herzogsehre nagte, von einem einfachen Edelmann, noch dazu dem Angestellten eines Wucherers, herumkommandiert zu werden. Er würgte jedoch seinen Stolz hinunter und nickte. »Ich lasse Euch wissen, ob und wann die Königin Euch empfangen wird.« Damit zog er seinen Rappen herum und ritt im Galopp nach Granada zurück. Lea folgte ihm in leichtem Trab und legte sich noch auf dem Weg die Gründe zurecht, mit denen sie Isabella überzeugen wollte, ihren Vorschlag anzunehmen.
12.
Als Lea ihr Quartier erreichte, war die Nacht hereingebrochen, zu ihrem Glück aber waren ihre Begleiter noch nicht zurückgekehrt. Sie zog sich so weit aus, wie sie es verantworten konnte, und schlüpfte ins Bett. Schlaf stellte sich jedoch nicht ein, denn sie musste an Orlando denken und das, was ihm bevorstand, wenn ihr Plan misslang. Es waren Bilder des Grauens, die wieder und wieder in ihrem Kopf entstanden und sich nur mühsam verdrängen ließen. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, würde sie sich ihr Leben lang Vorwürfe machen, das war ihr klar, und nicht nur das. Sie würde Orlando vermissen. Seine spöttische, schulmeisterhafte Stimme würde ihr ebenso fehlen wie seine Art, sie anzufassen und herumzukommandieren. Jetzt erinnerte sie sich mit einem Gefühl von Sehnsucht an die Wochen, in denen er ihr fremde Sprachen beigebracht und sie gelehrt hatte, mit viel mehr Selbstbewusstsein aufzutreten, als es einem Juden gut tat.
Er ist trotz allem ein Schuft, sagte sie sich, ein Mann, der den Glauben seiner Väter verraten hatte, ein … Es half ihr nicht, ihn schlechter darzustellen, als er war, denn sosehr sie sich auch dagegen wehrte, sie konnte sich nicht mehr vor der Erkenntnis verschließen, dass sie Orlando liebte.
Es musste schon an jenem Tag passiert sein, an dem er sie vor Medardus Holzinger gerettet hatte. Seitdem hatte sie immer wieder an ihn denken müssen, ihre Gefühle für ihn aber als Hass und Verachtung interpretiert. Nun gesellte sich zu der Angst um sein Leben eine tiefe Traurigkeit. Selbst wenn es ihr gelingen sollte, Orlando zu befreien, würde sie ihre Liebe zu ihm tief im Innern begraben müssen, denn nie, niemals würde sie ihm gestehen dürfen, wer sie in Wirklichkeit war. Erfuhr er, dass sie eine Frau war, musste er sie für eine Verworfene halten, ein Weib, das alle Scham und alle seinem Geschlecht gebotene Zurückhaltung vergessen hatte, und sich von ihr abwenden wie von einer Hure – und das mit Recht, hatte sie doch schon mit Männern im selben Bett gelegen, wie
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