Die Goldhaendlerin
neulich mit dem Abt eines christlichen Klosters.
Als de Poleur und die anderen kurz nach Mitternacht zurückkehrten, stellte Lea sich schlafend, denn sie wollte sich weder das betrunkene Gerede ihrer Freunde anhören noch deren Fragen beantworten. Aber sie konnte nur ihre Augen schließen und ruhen, denn die quälenden Bilder ihrer Phantasie ließen sie keinen Schlaf finden.
Am nächsten Morgen verließ Lea ihr Quartier nur für die Morgenmesse, an der sie teilnehmen musste, und für das Frühstück, das sie mit den anderen in einem mit bunten Säulen und Bögen geschmückten Saal einnahm, denn die Angst, Medicanelis Boten zu versäumen, trieb ihr trotz der Kühle in den Räumen den Schweiß auf die Stirn. Um die Mittagszeit brachte ihr ein Bote in den Farben der Königin ein Gewand, damit Don Santiago, wie er sagte, Ihrer Majestät in angemessener Kleidung gegenübertreten konnte. Es handelte sich um die höfische Gewandung eines kastilischen Edelmanns, die aus dunkelgrünen Strumpfhosen, einem schwarzen, silberbestickten Samtwams, einem passenden Hut und einem hellbraunen, bis zu den Knien reichenden Umhang aus feinster Merinowolle bestand. Dazu bekam sie Schuhe mit großen, silbernen Schnallen, die ihr jedoch etwas zu groß waren.
Lea zerschnitt eines ihrer Hemden, um die Schuhe auszupolstern, und zog sich um. Als sie sich in dem Spiegel betrachtete, den seine frühere Besitzerin, die Haremsdame eines hohen maurischen Edelmanns, zurückgelassen hatte, erkannte sie sich im ersten Augenblick selbst nicht, so prächtig sah sie aus. Während sie auf den Ruf der Königin wartete, zählte sie noch einmal alle Argumente auf, mit denen sie die Herrin Kastiliens überzeugen wollte.
Dann ging alles sehr schnell. Ein Diener mit dem Wappen der Königin auf seinem Wams klopfte an die Tür und überreichte ihr die mit goldener Tinte geschriebene Einladung zur Audienz, und die diskrete Haltung seiner Hand wies darauf hin, dass er Lohn für sein Erscheinen erwartete. Lea reichte ihm mehrere Münzen, ohne auf ihren Wert zu achten. Der zufriedenen Miene des Mannes zufolge mussten es goldene Reales gewesen sein. Der Diener verbeugte sich so tief wie vor einem Herzog und bat sie geradezu devot, ihm zu folgen. Trotz ihrer Sorgen und ihrer Anspannung freute Lea sich ein wenig darauf, den ehemaligen Palast des Emirs, die Alhambra, betreten zu dürfen, in dem nun das Königspaar residierte. Das, was sie sah, übertraf ihre Erwartungen bei weitem. Sie schritt durch einen Traum aus filigranen Mauern, schlanken Säulen und zierlichen Innenhöfen mit Wasserspielen, Palmen und kunstvollen Mosaiken, und es gelang ihr, das phantastische Bild einer versinkenden Epoche in sich aufzunehmen. Während der Diener sie an den Wachen vorbei durch luftige Korridore führte, wurde ihr klar, dass sie diesen Tag, ganz gleich wie er enden mochte, niemals vergessen würde.
Die Tür zu den Gemächern der Königin wurde von vier Gardisten bewacht, die das Wappen Kastiliens auf ihren Harnischen trugen. Auf einen Wink des Dieners öffneten sie die Türflügel und ließen Lea eintreten. Der Diener eilte ihr voraus, und sie hörte, wie er sie bei Isabellas Kammerfrau ankündigte. »Don Léon de Saint Jacques, Mitglied der Gesandtschaft des Herzogs von Burgund.«
Die Dame winkte dem Diener zu gehen und trat auf Lea zu.
»Kommt! Doch was auch immer Ihr von Ihrer Majestät begehrt, fasst Euch kurz. Ihre Majestät hat viel zu tun.«
Lea verbeugte sich und spähte dabei in den hinteren Teil des Raumes, in dem die Königin auf einem bequemen Sessel vor dem Fenster saß und Akten studierte. Isabella war eine schöne Frau mit frischen, gesunden Farben, blauen Augen und langem, nussbraunem Haar. Sie trug ein einfaches, dunkelrotes Kleid und als einzigen Schmuck eine dünne Goldkette mit einer großen Perle. Lea erinnerte sich daran, dass es hieß, die Königin habe den größten Teil ihres Schmucks bei ihren Bankiers für die Finanzierung des Feldzugs gegen Granada verpfändet. Natürlich hatten diese Herren die Juwelen nicht an sich genommen, sondern sie in den Schatzkammern der Königin gelassen. Trotzdem verzichtete Isabella darauf, Schmuck zu tragen, der nach Recht und Gesetz nicht mehr ihr gehörte. Die Kammerfrau führte Lea zu Isabella, die jedoch nicht von ihrer Akte aufsah, bis sie sie durchgesehen und zur Seite gelegt hatte. Als sie sich endlich dem Neuankömmling zuwandte, verbeugte Lea sich so tief, wie sie nur konnte. Ihr Blut rauschte so laut in ihren
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