Die Goldhaendlerin
trotzdem erleichtert.
»Ihr sprecht von Orlando Terasa, den man früher auch de Quereda y Cunjol nannte? Der Mann ist ein Bandit, der den Tod hundertfach verdient hat.« Isabellas Miene verhieß nichts Gutes.
Lea war zu weit gegangen, um sich einschüchtern zu lassen.
»Euer Majestät, Orlando Terasa hat im Kleinen doch nichts anderes getan, als was Ihr im Großen plant, nämlich Spanien von den Juden zu befreien.«
Isabella sah Lea einen Augenblick fassungslos an, denn so unverschämt offen hatte schon lange niemand mehr mit ihr geredet. Dann aber zuckten ihre Mundwinkel, und sie lachte laut auf.
»Mut habt Ihr für zwei, Saint Jacques, und noch mehr Frechheit. Orlando Terasa ist jedoch ein Dorn im Fleisch Spaniens, ein …«
»Wohl eher ein Dorn im Sitzfleisch des Herzogs von Montoya«, fiel Lea der Königin ins Wort. »Ist Euch die Rache dieses Mannes mehr wert als der Ruhm Kastiliens?«
»Was dem Ruhm Kastiliens nützt, bestimme immer noch ich!« Isabella sah in diesem Moment so aus, als wollte sie die Wache rufen und das unverschämte Geschöpf vor sich abführen lassen.
Lea raffte all ihren Mut zusammen und blickte ihr ins Gesicht.
»Wollt Ihr wirklich zusehen, wie Colombo Indien im Auftrag Frankreichs erreicht und die Schätze dieses Landes die Truhen Karls VIII. füllen? Euer Majestät, ich bitte Euch, die Folgen zu bedenken, die das für Euch und vor allem für Eure Kinder haben könnte.«
»Welche Folgen?« Die Königin wirkte überrascht, aber auch neugierig.
»Wenn Frankreich seinen Reichtum stärker mehren kann als seine Nachbarn, hat das Auswirkungen auf Spanien und den Rest Europas. Nicht lange, dann wird Frankreichs Schatten den Ruhm der vereinigten Königreiche von Kastilien und Aragon verdunkeln, und Euer Sohn Don Juan, der Euch hoffentlich auf dem Thron nachfolgen wird, steht einem Nachbarn gegenüber, der die Mittel besitzt, seinen Willen gegen jedermann durchzusetzen. Denkt auch an Eure Tochter Juana, die, wie es heißt, eines Tages mit Philipp, dem Sohn des Herzogs von Burgund, vermählt werden soll. Damit könnte einer Eurer Enkel dereinst die Krone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation tragen. Doch was wird das für ein Reich sein, wenn Frankreich den Krieg gegen Herzog Maximilian durch die Schätze Indiens gewinnen und ihm Burgund wegnehmen kann? Weiß man, ob Frankreich sich damit zufrieden geben würde, oder ob es dann nicht plant, das Reich Karls des Großen wieder zu errichten und über ganz Europa zu herrschen?«
Lea schleuderte diese Worte der Königin so leidenschaftlich entgegen, als wäre der Franzose ihr persönlicher Feind, und nahm erleichtert wahr, dass Isabella sich der Wirkung ihrer Argumente nicht entziehen konnte. Frankreich war nicht nur der Rivale Burgunds und des Reiches, sondern auch Spaniens. Jede Vergrößerung seiner Macht beschnitt die Souveränität der Nachbarreiche. Lea wusste, dass sie ein gefährliches Spiel spielte. Würde die Königin sich überzeugen lassen? Oder lag ihr der mögliche Aufstieg Frankreichs so fern, dass ihr die Sache nicht wert war, einem dem Tod geweihten Gefangenen die Freiheit zurückzugeben?
»Orlando Terasa de Quereda y Cunjol muss sterben!«
Isabellas Miene wurde hart, und ihre Worte klangen so bestimmt, dass Lea schon alles verloren gab. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte, und suchte verzweifelt nach Worten. Isabella schien jedoch keine Antwort zu erwarten, denn nach einer kurzen Pause entspannten sich ihre Züge, und sie lächelte.
»Der Edelmann Don Orlando muss sterben, doch ob ein Orlando Cabeza de Pez irgendwo in einer kalten Stadt im Norden lebt, wird Kastiliens Ruhm nicht schmälern. Fischkopf ist ein passender Name für diesen Schurken, findet Ihr nicht auch, Saint Jacques?«
Lea nickte verwirrt, denn sie begriff nicht ganz, was die Königin damit sagen wollte. Isabella kümmerte sich auch nicht um ihren fragenden Blick, sondern klatschte in die Hände. Ein Diener eilte herbei und schob das an der Wand stehende Schreibpult zum Sessel der Königin. Diese wählte ein Blatt Papier aus, tauchte die Feder in die Tinte und begann zu schreiben.
»Dies ist eine Anweisung an Don Julio Vasquez de Frugell, den Kommandanten der Festung von Santa Pola. Er wird den Tod Don Orlando Terasa de Quereda y Cunjol bestätigen und Euch den Gefangenen Orlando Fischkopf übergeben. Ihr beide werdet Spanien mit dem nächsten Schiff verlassen und es nie mehr betreten. Habt Ihr mich verstanden, Saint Jacques?«
Lea
Weitere Kostenlose Bücher