Die Goldhaendlerin
habt«, rief der Mann ihr zu und verschwand grußlos im Gewirr der Gassen.
Lea streichelte Cereza, die gesattelt vor ihr stand, und überlegte, ob sie die Aufforderung nicht besser ignorieren sollte. Sie konnte hundert Gründe vorschieben, und Müdigkeit war nicht der schlechteste davon. Dann aber siegte ihre Neugier. Sie stieg in den Sattel und lenkte Cereza durch das Gewimmel der Menschen zum Tor.
Im Schatten eines Ölbaumhains wenige hundert Schritt hinter dem Tor gesellte sich ein Reiter auf einem pechschwarzen Ross zu ihr. Lea atmete erleichtert auf, als sie Medicaneli erkannte, aber als sie sein furchtverzerrtes und graues Gesicht sah, erschrak sie.
»Was ist geschehen, Euer Gnaden?«
»Montoya hat Orlando Terasa gefangen genommen«, sagte er mit ersterbender Stimme.
»Orlando hier in Spanien? Aber das ist unmöglich.« Lea schüttelte ungläubig den Kopf.
Medicaneli lachte bitter auf und stieß einen groben Fluch aus.
»Es ist die Wahrheit. Orlando Terasa wurde in Bilbao gefangen gesetzt, als er an Land gehen wollte. Meine Gewährsleute haben es mir bestätigt.«
»So ein Idiot! Wieso musste er nach Spanien kommen, wo er doch genau wusste, was für ein hoher Preis auf seinen Kopf ausgesetzt war und dass in allen Häfen Spione auf ihn lauerten!«
Hätte Lea Orlando in diesem Moment vor sich gehabt, sie hätte ihn mit beiden Händen geohrfeigt, so kochte die Wut in ihr hoch. Gleichzeitig aber fühlte sie sich zum Sterben elend. Warum hast du das getan, Orlando?, schrie sie tief in ihrem Innern auf. Warum hast du gegen alle Vernunft gehandelt, obwohl dir klar sein musste, dass Montoya und seine Kreaturen dir hier eine Falle gestellt hatten?
»Wenn Terasa unter der Folter spricht, sind meine Freunde und ich verloren, denn dann erfährt Montoya genug über uns, um uns vernichten zu können.« Aus Medicanelis Worten sprach schiere Panik.
Lea interessierte sich jedoch kaum für das Schicksal des Herzogs. »Wir müssen Orlando befreien.«
Medicaneli wirkte auf einmal wie ein alter Mann, dessen Stolz man mit einem einzigen Hieb gebrochen hatte. »Glaubt Ihr, Saint Jacques, man würde Terasa so nachlässig bewachen, dass man ihn mit einem Fingerschnippen aus seinem Gefängnis herausholen kann? Montoya hat ihn in die Festung von Santa Pola bringen lassen, und deren Tore sind weder mit Gewalt noch mit List zu öffnen.«
»Woher wisst Ihr das? Montoya hätte doch mehr Erfolg, wenn er Euch und Eure Freunde weiterhin in Sicherheit wiegen könnte.«
Sie sagte ihm nicht, welcher Gedanke ihr gerade durch den Kopf schoss. Die Nachricht von Orlandos Gefangennahme musste gezielt gestreut worden sein, um Montoya die Chance zu geben, die Leute in die Hand zu bekommen, die Baramostas Flucht ermöglicht hatten. Gelang ihm das nicht, war sein Erfolg nur ein halber Sieg. Vielleicht wollte er auch, dass Medicaneli, Santangel und andere Edelleute, die von konvertierten Juden abstammten, einen verzweifelten Versuch unternahmen, Orlando zu befreien, und sich dabei bloßstellten. Eine kopflose Tat würde den Einfluss zerstören, den sie sich am Hof erarbeitet hatten, und ohne den Schutz der Königin würden sie bald in den Kerkern der Inquisition oder auf dem Scheiterhaufen enden. Medicaneli schien keines klaren Gedankens mehr fähig zu sein, denn er jammerte wie ein altes Weib und rang hilflos die Hände.
»Uns bleibt nur die Flucht. Doch wohin sollen wir gehen, wovon sollen wir leben? Unsere Besitztümer bestehen aus Ländereien, aus Vieh und Leibeigenen. Die können wir nicht in die Tasche stecken wie die Juden ihr Gold. Und als Edelleute können wir auch nicht mehr auftreten, denn das Königspaar wird uns aller Ehren und Titel entkleiden und wahrscheinlich sogar unsere Auslieferung fordern, egal, wohin wir uns wenden werden.«
»Ihr seht, es gibt nur einen Weg für Euch. Ihr müsst mir helfen, Orlando zu befreien.«
Lea wusste selbst, dass das so gut wie unmöglich war. Gewalt schied von vorneherein aus, und Orlandos Bewacher würden sich gewiss nicht so leicht übertölpeln lassen wie Alvaro de Arandela. Medicaneli achtete auch nicht auf ihre Worte, sondern beklagte weiterhin das böse Geschick und machte Orlando Terasa persönlich dafür verantwortlich, dass seine Tage als Edler von Spanien gezählt waren.
Lea nahm ihm die Weinerlichkeit ebenso übel wie seine Vorwürfe gegen Orlando und fuhr ihn wütend an. »Haltet endlich den Mund und lasst mich nachdenken. Jammern könnt Ihr zu Hause!«
Der Herzog machte ein
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