Die Goldhaendlerin
du mir nicht erzählen, warum ich dich aufsuchen und sogar meine Kinder mitbringen sollte? Außerdem frage ich mich, wieso deine Schwestern und dein Bruder Samuel uns noch nicht begrüßt haben.«
Elieser zog den Kopf ein. »Nun ja, ich … Es ist schwer zu erklären …«
Er atmete ein paarmal kräftig durch, und dann quollen die Worte schrill aus ihm heraus. »Es gibt keinen Samuel. Mein Bruder ist damals bei dem Pogrom in Sarningen ums Leben gekommen. Während ich schwer verletzt daniederlag, hat Lea sich für ihn ausgegeben und die Geschäfte in seinem Namen weitergeführt.«
»Das ist unmöglich. Ich habe Samuel schon früher einmal gesehen, als dein Vater noch lebte, und ihn später einige Male bei mir zu Gast gehabt. Nein, nein, ein so scharf geschliffener Verstand, wie er ihn besitzt, kann niemals einem Weib gehören.«
Noch während Ruben ben Makkabi die Worte aussprach, überfielen ihn Zweifel. Nur zu gut erinnerte er sich an Samuels Sträuben, mit anderen Männern zusammen die Mikwe zu benützen, und an seine Bartlosigkeit. Auch war seine Stimme nicht tief genug für einen Mann gewesen. Trotzdem konnte er nicht glauben, was Elieser da behauptete.
»Es ist unmöglich. Eine Frau kann niemals so viel geschäftlichen Erfolg erringen wie Samuel. Beim Gott unserer Väter, er hat mit uns verhandelt, als besäße er die Erfahrung von Jahrzehnten.«
Elieser beugte sich zu ihm und sprach so leise, dass die beiden anderen ihn nicht verstehen konnten. »Das hat meine Schwester ja auch. Es ist nicht die wahre Lea, die Ihr kennen gelernt habt, Rabbi. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der Geist unseres Vaters in sie gefahren ist, um die Familie zu retten. Das erklärt nämlich auch, warum sie sich geweigert hat, mir die Geschäfte zu übergeben, als ich alt und vor allem gesund genug war, sie selbst zu führen.«
»Der Geist eures Vaters, sagst du? Das würde die Sache erklären.« Ruben ben Makkabi lehnte sich zurück, sprach ein kurzes Gebet gegen die Dämonen, die sich in diesem Haus eingenistet haben mochten, und überlegte, was zu tun war. Er kannte die Gebete und Riten, mit denen Geister gebannt werden konnten, und traute sich zu, Lea von ihrer Besessenheit zu heilen. Doch bevor er ans Werk ging, musste er Klarheit über die gesamte Situation gewinnen und sehen, was er aus ihr machen konnte.
Er blickte Elieser stirnrunzelnd an. »Du hast in deinem Brief angedeutet, dass die Hochzeit meiner Tochter stattfinden könnte. Doch Samuel existiert nicht mehr.«
»Aber ich existiere, und ich bin bereit, den Bund mit Hannah einzugehen.«
Merab, die eben ins Zimmer trat, um frischen Wein zu bringen, ließ bei Eliesers Worten die Kanne fallen und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ruben ben Makkabi erfasste sogleich, was hier vorging. Wenn seine Tochter Herrin dieses Hauses werden sollte, musste die Magd fortgeschafft werden. Er beschloss, sie mit nach Augsburg zu nehmen. Da sie es gewohnt war, bei einem Mann zu liegen, und er die Sittsamkeit seiner Gemeinde nicht gefährden durfte, würde er sie verheiraten müssen. Das war nicht so einfach, denn ein Knecht brachte das Geld für die Heiratserlaubnis nicht auf. Für einen Augenblick schwankte er, denn er hatte nicht vor, einem seiner Knechte die Hochzeit zu finanzieren. Dann fiel ihm Kaleb ben Manoach ein, dessen Weib im letzten Jahr gestorben war. So ein hübsches Ding würde die Männlichkeit seines Nachbarn gewiss reizen und ihn seinen Geldbeutel öffnen lassen.
Nachdem Ruben ben Makkabi dieses Problem für sich geklärt hatte, ging er sofort das nächste an. »Ich bin bereit, deinen Antrag zu überdenken. Du wirst jedoch erlauben, dass ich dich vorher prüfe. Ich gebe meine Tochter nur einem Mann zum Weibe, der den Talmud studiert hat und die Gesetze unseres Volkes kennt. Kannst du mir die Lehrer nennen, an deren Weisheit du dich gelabt hast?«
Elieser breitete hilflos die Arme aus. Es war jetzt mehr als sechs Jahre her, seit der letzte Lehrer hier in Hartenburg gewesen war. Er hatte zwar in der Zwischenzeit neben der Thora auch den Talmud studiert und einige gelehrte Kommentare gelesen, aber er war nicht das, was sein Gast unter einem schriftenkundigen Mann verstand. »Ich bitte dich, mir zu verzeihen, doch Hartenberg liegt sehr abgelegen, und der Markgraf hat uns nicht erlaubt, gelehrte Rabbis zu uns einzuladen.«
Ruben ben Makkabi nickte verständnisvoll. »So hast du also die Talmudschule einer anderen Gemeinde besucht.«
»Das hätte ich ja
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