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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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an das Ende ihrer Tage wie einen kostbaren Schatz hüten.
    Orlando hatte offensichtlich erwartet, zum Verhör gebracht zu werden, vielleicht sogar zu der ersten Konfrontation mit dem Herzog von Montoya, auf dessen Befehl er in Ketten gelegt und in eine winzige Kammer gesperrt worden war, in die kein Lichtstrahl fiel und in der kein Ton aufklang. Seine Miene hatte trotzig, ja geradezu herausfordernd frech gewirkt, als wollte er zumindest verbal die Klinge mit seinem Gegner kreuzen. Aber als er Lea in dem ihm nur allzu gut bekannten Gewand eines spanischen Edelmanns neben dem Kommandanten der Festung stehen gesehen hatte, war er zunächst schier in Panik ausgebrochen, wohl weil er angenommen hatte, dass sie ebenfalls in die Hände seiner Feinde geraten war. Als er dann begriff, was vor sich ging, hatten seine Gesichtszüge Fassungslosigkeit und eine geradezu komische Verblüffung widergespiegelt. In keinem Augenblick seiner Befreiung aber war ein Ton über seine Lippen gekommen, und er hatte auch in all den Wochen danach kein Wort über seine Befreiung verloren.
    An Bord des überfüllten genuesischen Seglers, der schon zum Auslaufen bereit gewesen war und dessen Kapitän sie für einen Wucherpreis mitgenommen hatte, hatte er nur einmal »Danke« zu ihr gesagt, ihr aber keine einzige Frage gestellt. Lea war immer noch leicht beleidigt, denn in der Folgezeit hatte Orlando sich wie ein eifersüchtiger Liebhaber aufgeführt und nicht wie ein Mann, den sie der Folter und dem Tod entrissen hatte. Die Anwesenheit der vier burgundischen Edelleute hatte ihn offensichtlich gestört, und er änderte seine Haltung auch nicht, als Lea ihm klar machte, dass sie ihn ohne ihre Freunde nie hätte befreien können. Auch später in Genua hatte er die vier übermütigen Burschen genauso wie in der Enge des Schiffes höflich, aber distanziert behandelt, ganz ohne die Herzlichkeit und die professionelle Leichtigkeit im Umgang mit anderen, die ihm früher zu Eigen gewesen war.
    Sein Benehmen wurde noch abweisender, als Baramosta und seine Leute sich ihnen in Genua anschlossen. Der Kaufmann wollte Orlando nach Hamburg begleiten, um dort seine Schwester Léonora und seinen Schwager Manuel wiederzusehen. Da die jetzt mehr als zwanzig Personen umfassende Reisegruppe weder über Frankreich noch über den stürmischen Atlantik ins Reich gelangen konnte, musste sie einige Wochen in Genua warten, bis das Wetter sich so weit beruhigt hatte, dass sie den mühsamen und gefährlichen Weg nach Mailand und Lugano und weiter über die Alpenpässe antreten konnte.
    Schon in der Stadt hatte Lea die Anwesenheit von Orlandos Verwandten als störend empfunden, und ihr war dann auch die schier unverwüstliche Fröhlichkeit de Poleurs und seiner Freunde auf die Nerven gegangen. Unterwegs aber begriff sie, dass die Anwesenheit so vieler Menschen sogar ihr Glück war, denn sie half ihr, eine Wand zwischen sich und Orlando zu errichten, hinter der sie ihre in Unordnung geratenen Gefühle verbergen konnte.
    Nach einer langen und unbequemen Reise, in der Lea den leichten Schritt ihrer Stute Cereza schmerzlich vermisst hatte, die bei dem überstürzten Aufbruch in Spanien hatte zurückbleiben müssen, war die Gruppe nun am Oberrhein angekommen, wo sich die vier Burgunder von ihr trennen wollten. Während Leas Blick nach Osten schweifte, wo der Gipfel des Blauen über die ihn umgebenden Berge aufragte, trat de Poleur auf sie zu. »Willst du uns nicht doch zu Heimberts Besitz begleiten, Léon?«
    Lea schüttelte den Kopf. »Es geht nicht, Thibaut. Ich bin nun einmal nicht mein eigener Herr, und es wartet ein Auftrag auf mich, den ich längst hätte erfüllen müssen. Andernfalls wäre ich gerne mitgekommen.«
    »Das ist schade«, antwortete Heimbert von Kandern an de Poleurs Stelle. »Ich hätte dir gerne meine Heimat gezeigt. So schön Flandern und Spanien auch sein mögen, mit dem Schwarzwald lassen sie sich doch nicht vergleichen. Nirgends anders kann man sich so wohl fühlen wie dort.«
    De Poleur protestierte vehement, denn er ließ nichts auf seine Heimat Hainault kommen, und de la Massoulet und van Haalen beteiligten sich augenblicklich mit lebhaften Beschreibungen ihrer Heimatorte an dem kleinen Streitgespräch und versuchten, auch Lea mit einzubeziehen. Sie hörte ihnen jedoch nur lächelnd zu.
    Schließlich schlug Heimbert von Kandern mit der geballten Rechten in die linke Hand. »Wenn wir noch lange diskutieren, werden wir meines Vaters Burg heute nicht mehr

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