Die Goldhaendlerin
erreichen. Also lasst uns aufbrechen.«
De Poleur nickte bedrückt und drehte sich zu Lea um. »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Léon.«
»So Gott es will, wird es geschehen«, antwortete Lea diplomatisch.
Der junge Burgunder umarmte sie und hatte dabei Mühe, die Tränen zu unterdrücken. »Du bist der beste Freund, den ich je hatte, Léon. Danke für alles.«
Dann ließ er sie abrupt los und schwang sich in den Sattel des Pferdes, das er am Vortag in Basel mit einem kleinen Kredit Leas erworben hatte.
»Bis zum nächsten Mal, Léon!« Er schwenkte seinen Hut und gab dann dem Tier die Sporen. Seine drei Freunde winkten Lea ebenfalls ein letztes Mal zu und folgten ihm etwas weniger ungestüm.
Orlando blickte den vier jungen Männern mit unverhohlener Erleichterung nach. Ihre Gegenwart hatte immer wieder seine Eifersucht entfacht, auch wenn Lea sie eher wie jüngere Brüder behandelt hatte, die man nicht ganz ernst nehmen konnte. Mit ihm war sie jedoch nie so locker und fröhlich umgegangen, und das ärgerte ihn. Gleichzeitig bewunderte er sie, dass es ihr gelungen war, mehr als ein halbes Jahr ununterbrochen in einer Männergesellschaft zu leben, dabei ihr wahres Geschlecht vor so vielen neugierigen Blicken zu verbergen und gleichzeitig Aufgaben zu erledigen, an denen alle anderen einschließlich seiner eigenen Person gescheitert wären. Er sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen, ihr zu sagen, dass er sie liebte und nie mehr loslassen wollte, doch die Gegenwart seiner Verwandten hinderte ihn daran.
Nachdem die burgundischen Edelleute sich verabschiedet hatten, rückte der Zeitpunkt näher, an dem auch Lea die Reisegruppe verlassen musste. Orlando hätte sie am liebsten bis Hartenburg begleitet und seinen Onkel und dessen Leute alleine Weiterreisen lassen. Baramosta hatte sich jedoch immer noch nicht von der Verfolgung und dem langen Eingesperrtsein im Kloster erholt; er war ängstlich und unbeholfen wie ein kleines Kind, und da es seinen Angehörigen kaum besser ging und keiner von ihnen der deutschen Sprache mächtig war, musste Orlando bei ihnen bleiben. Aus diesem Grund versuchte er Lea zu überreden, ihn zu begleiten.
»Bitte, Samuel, überleg es dir noch einmal. Ich wünsche mir nichts mehr, als dich mit nach Hamburg zu nehmen und dich meiner Mutter vorzustellen. Sie würde sich riesig freuen, den Lebensretter ihres Bruders und ihres Sohnes kennen zu lernen.«
Lea lachte hart auf. »Was die Rettung betrifft, Señor Cabeza de Pez, so sind wir jetzt quitt.«
Orlando hob beschwörend die Hände. »Nein, Samuel, das sind wir nicht. Du hast weitaus mehr für mich getan als ich für dich. Bei der Sache mit Holzinger war ich keinen Augenblick in Gefahr, während du monatelang unter dem Schatten des Todes gelebt und zuletzt noch Kopf und Kragen riskiert hast, um mich zu befreien, Bitte, tu mir … Du machst so ein abwehrendes Gesicht? Nun, ich will dich nicht bedrängen oder dich zwingen, mit mir zu kommen. Sag mir nur, ob ich noch etwas für dich tun kann. Du bekommst jede Hilfe von mir, die du brauchst, und müsste ich den Teufel aus der Hölle holen.«
»Du kannst mir jetzt schon helfen. Sag mir, wie ich unauffällig an jüdische Kleidung kommen kann. Ich darf Hartenburg nicht in diesem Gewand betreten.« Leas Stimme klang so kühl, als wäre er ein beiläufiger Bekannter und nicht mit ihr durch mehr als ein gefährliches Abenteuer verbunden.
Orlando seufzte innerlich und fragte sich, ob er den Panzer, der Lea seit Spanien umgab, je würde durchbrechen können. Er war wirklich versucht, sie in die Arme zu reißen, ihr Gesicht mit Küssen zu bedecken und ihr zu sagen, dass sie die mutigste, schönste und beste Frau auf der ganzen Welt war. Ihn schauderte jedoch vor der Kälte, die sie ausströmte, und er war schon so weit, dass er sich über einen Ausbruch ihrer früheren Bissigkeit und Spottlust gefreut hätte.
»Mein Onkel Rodrigo würde sich ebenfalls freuen, wenn du uns begleiten würdest. Er hält sehr viel von dir und hat mich sogar gefragt, ob ich nicht den Vermittler machen könnte, denn er möchte dich als Schwiegersohn gewinnen.« Noch während Orlando die Worte aussprach, wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte, denn mit dieser Bemerkung hatte er Lea erst recht einen Grund gegeben, seine Bitte abzulehnen. Sie warf den Kopf hoch, und ihre Miene wurde noch starrer. »Sage dem guten Baramosta, dass ich zwischen den Beinen … – wie nanntest du es einmal? – etwas beschädigt
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