Die Goldhaendlerin
gerne getan, doch Lea hat es mir nicht gestattet. Sie war ja meist auf Reisen, und so musste ich hier bleiben und sie vertreten.« Die Lüge kam Elieser so leicht über die Lippen, dass Ruben ben Makkabi keinen Verdacht schöpfte, sondern ihn verstört anblickte. »Soll das heißen, dass du nie eine Talmudschule besucht hast?«
Elieser schien vor Scham den Tränen nahe zu sein. »Wie hätte ich das tun können? Ich durfte Hartenberg doch nicht verlassen.«
»Dann wirst du es schnellstes nachholen. Am besten, du begleitest mich nach Augsburg. Dort verschaffe ich dir die besten Lehrer. Sie werden dich prüfen und uns sagen, ob du schon das nötige Wissen besitzt, oder wie lange du brauchen wirst, um es zu erwerben. Sobald sie mit dir zufrieden sind, darfst du mit meiner Hannah unter den Traubaldachin treten. Ich hoffe, du wirst sie nicht allzu lange warten lassen, denn sie sollte längst verheiratet und Mutter sein.«
Elieser blickte bewundernd zu Hannah hinüber, die sich scheu gab, ihm aber im Schutz ihrer gegen das Licht gehaltenen Handarbeit verheißungsvoll zulächelte.
Ruben ben Makkabi trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, kann Lea nicht hier sein, weil sie als Samuel unterwegs ist. Ich vermisse aber auch deine andere Schwester, Rachel. Warum begrüßt sie uns nicht? Ist sie so krank, dass sie nicht aufstehen kann, oder gibt es noch mehr Dinge, die ich erfahren müsste?«
Elieser hatte schon seit Ruben ben Makkabis Ankunft überlegt, wie er ihm beibringen konnte, was Rachel trieb, ohne dass der Rabbi empört das Haus verließ. Er beschloss, nichts zu beschönigen. »Meine Schwester Rachel lebt nicht mehr bei uns. Sie ist die Mätresse des Markgrafen geworden.«
Ruben ben Makkabi hatte das Gefühl, der Boden würde sich unter seinen Füßen öffnen. Für einen Augenblick glaubte er noch, sich verhört zu haben, doch der peinlich berührte Gesichtsausdruck des jungen Mannes verriet ihm, dass es die Wahrheit war. »Beim Gott unserer Väter, wie konnte das geschehen? Wieso hat Samuel … ich meine, Lea das zugelassen?«
Elieser verbarg sein Gesicht in den Händen. Jetzt lag es in seiner Hand, Lea so unmöglich zu machen, dass der Rabbi ihre Herrschaft in diesem Hause mit allen Mitteln beenden würde. »Als der Markgraf an Rachel Interesse zeigte, hat Lea ihr sogar dazu geraten, sich ihm an den Hals zu werfen, weil sie hoffte, ein paar Privilegien mehr für uns herausschlagen zu können.«
»So viel Verworfenheit ist mir noch nie untergekommen!«, rief Ruben ben Makkabi erbittert, ließ aber nicht erkennen, ob er Lea oder Rachel damit meinte, »Da sieht man, was alles geschieht, wenn Juden ihre Gemeinden verlassen. Das schlechte Beispiel der Christen verdirbt sie, so dass sie die Sitten und Gebräuche des Volkes Juda vergessen und sich von Gottes Gesetzen abwenden. Was aus solchen Leuten werden kann, sieht man ja an Medardus Holzinger, dem Judenschlächter. Sein Vater wurde in Trient als Joschia ben Isai geboren, trat aber später zum Christentum über und wurde der schlimmste Ankläger unserer Brüder in Trient. Er unterstützte die infame Beschuldigung, die Juden dort hätten einen christlichen Knaben namens Simon getötet und sein Blut getrunken. Zahllose unseres Volkes verloren daraufhin ihr Leben, nicht nur in Trient, sondern auch in vielen anderen Städten des Reiches. Dabei wurde schon bald bekannt, dass der Bischof von Trient den Knaben durch einen seiner Handlanger ermorden und die Leiche in das Haus eines unserer Brüder schaffen ließ, um diesen zu verderben.«
Elieser hob erschrocken die Hände. »Rabbi, ich … , wir sind gute Juden, glaube mir. Bitte hilf uns, auf dem rechten Weg zu bleiben!«
Ruben ben Makkabi strich sich über den Bart und musterte Elieser so eindringlich, dass dieser in sich zusammenkroch. Dann nickte er. »Ich werde es versuchen. Für Rachel kann ich wohl nichts mehr tun, denn sie ist eine Verworfene. Doch auch sie kann noch etwas Gutes bewirken. Ich werde versuchen, ihren Einfluss auf den Markgrafen auszunützen, um die Erlaubnis für die Ansiedlung einer lebensfähigen jüdischen Gemeinde zu erhalten. Was Lea betrifft, so wird sich auch für sie ein Weg finden lassen. Wenn der Geist, der sie beherrscht, ausgetrieben worden ist, kann sie, wenn sie noch als Ehefrau taugt, mit Jiftach unter den Hochzeitsbaldachin treten. So oder so werde ich sie auf den Platz verweisen, auf den sie als Weib gehört.«
Elieser entnahm diesen
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