Die Goldhaendlerin
wie ein Wurm auf dem Boden herumwälzte, und die letzten beiden dem Markgrafen und einer jungen, schon arg fülligen Frau, die sich an ihn schmiegte.
Ernst Ludwig von Hartenburg war ein großer, schwer gebauter Mann um die vierzig, der im Augenblick nur wenig mit dem hoheitsvollen Herrn gemein hatte, den Lea durch die Straßen hatte reiten sehen. Er saß in hautengen, roten Hosen, die sich zwischen den Schenkeln anstößig wölbten, und einem weit offen stehenden, nicht mehr ganz sauberen Hemd auf einer Fensterbank und hielt einen Krug in der Hand. Er musste dessen Inhalt schon stark zugesprochen haben, denn sein Gesicht war hochrot angelaufen, und seine Augen glänzten wie große, gläserne Murmeln. Seinen freien Arm hatte er um die Schultern der Frau geschlungen, und seine Finger spielten mit den kindskopfgroßen Brüsten, die aus dem Mieder ihres bernsteinfarbenen Kleides quollen.
Die Frau wirkte ebenso betrunken wie der Markgraf, und auch das andere Paar schien dem Wein bereits im Übermaß zugesprochen zu haben. Erst auf den zweiten Blick erkannte Lea den Mann am Alkoven. Es war Dietrich Frischler, der Sekretär und Vertraute des Markgrafen. Die beiden Frauen waren ihr unbekannt, aber ihrer Ähnlichkeit nach musste es sich um Schwestern handeln. Der Hofnarr schien die einzig nüchterne Person im Raum zu sein und gleichzeitig auch das faszinierendste und abstoßendste Wesen, das Lea je zu Gesicht bekommen hatte. Sein Körper war so verwachsen, dass er kaum noch menschlich zu nennen war, doch sein Gesicht war so ebenmäßig und schön wie das eines Engels. Er trug ein aus bunten Fetzen zusammengenähtes Gewand, eine rote Kappe mit Messingschellen auf dem Kopf und hielt eine Peitsche aus Stoffstreifen in der Hand, mit der er im Takt einer unhörbaren Melodie auf den Boden schlug.
Der Markgraf löste sich als Erster aus seiner Erstarrung. »Was suchst du hier, Judenbalg?«
Lea begriff, dass sie sich einen sehr schlechten Zeitpunkt für ihren Besuch ausgesucht hatte, doch für einen Rückzug war es zu spät. Sie trat einen Schritt vor und versank in einen tiefen Knicks. »Verzeiht, Euer Durchlaucht, wenn ich Euch zu dieser Zeit noch störe. Ich komme, um Euren Schutz zu erflehen, denn ich bin Waise geworden. Mein Vater Jakob Goldstaub ist dem Pogrom in Sarningen zum Opfer gefallen.«
Der Markgraf schob die Unterlippe vor wie ein schmollendes Kind und zuckte mit den Schultern. »Ich habe davon gehört. Ihr Juden habt dort irgendeine Hostienschweinerei getrieben.«
»Nein, Herr, das ist nicht wahr. Wir sind verleumdet worden …« Lea wollte ihm schon den Grund für das Pogrom nennen, kniff aber schnell die Lippen zusammen, ehe ihr ein falsches Wort entschlüpfte. Da der Markgraf selbst hohe Schulden bei ihrem Vater hatte, wollte sie ihn nicht auf die Idee bringen, sich auf die gleiche Weise wie Rittlage seiner Verpflichtungen zu entledigen.
Zum Glück fiel Ernst Ludwig ihr Zögern nicht auf. »Ihr Judenpack seid immer an allem unschuldig, was man euch vorwirft. Das muss in eurer Natur liegen. Was suchst du jetzt bei mir?«
Lea atmete tief durch und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »Ich bin gekommen, um Euch zu bitten, die Privilegien und Rechte meines Vaters auf meinen verletzten Bruder zu übertragen.«
»Was hast du gesagt? Mein Leibjude ist tot?« Leas Erklärungen schienen erst jetzt in den umnebelten Verstand Seiner Durchlaucht gedrungen zu sein. Er schnaubte ärgerlich und warf seinem Sekretär einen Hilfe suchenden Blick zu. Dietrich Frischler winkte ab, »Darüber sollten wir reden, wenn wir wieder nüchtern sind.«
Der Markgraf rieb die Bartstoppeln auf seinem Kinn, als könne er nicht entscheiden, was zu tun sei. Das kratzende Geräusch peinigte Leas Nerven, und sie war den Tränen nahe. »Bitte Herr, gewährt uns Eure Gnade.«
Plötzlich drehte sich die Frau, die neben dem Markgrafen stand, zu ihm um und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Dabei kicherte sie so heftig, dass ihr fülliger Körper auf und ab wogte. Der Markgraf wirkte zuerst abweisend, lachte aber dann schallend auf und bedachte Lea mit jenem Blick, mit dem ein Metzger ein schlachtreifes Kalb taxiert.
Die Frau warf die Arme hoch und nickte auffordernd. »Lasst mich nur machen, Euer Durchlaucht. Ihr werdet sehen, das wird ein Heidenspaß!«
Als Ernst Ludwig eine zustimmende Handbewegung machte, klatschte die Frau in die Hände, winkte ihre Schwester, den Sekretär und den Narren zu sich und redete schnell und so leise
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