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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hatte sie den Worten ihres Vaters oft genug entnehmen können.
    Vor dem Standbild mit drei steinernen Löwen, welches das Tor zur unteren Burg bewachte, blieb Lea einen Augenblick stehen, um ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen. Die Löwen zeugten von der hohen Meinung, die der Markgraf von sich hatte, denn sie sollten jedermann kundtun, dass Ernst Ludwig seinen Stammbaum bis auf die Stauferkaiser zurückführte, wenn auch nicht über die direkte Linie.
    Einer der Torwächter kam auf Lea zu und fragte sie barsch, was sie hier zu suchen hätte.
    »Verzeiht den späten Besuch, aber ich möchte unseren allergnädigsten Herrn sprechen. Es ist dringend.«
    Der Mann musterte ihre jüdische Tracht und verzog das Gesicht. »Was will eine wie du von Seiner Durchlaucht?«
    »Ich bin Jakob ben Jehudas Tochter und muss dem hohen Herrn eine Nachricht überbringen.«
    »Ach so, du bist die Tochter unseres Hoffaktors.« Der Mann tat so erstaunt, als gäbe es außer Goldstaubs Familie noch ein Dutzend anderer jüdischer Familien in der Stadt. Er tauschte einen fragenden Blick mit seinem Kameraden, und als dieser mit den Schultern zuckte, rief er einen Diener an, der eben über den Innenhof ging. »He, Heiner, komm mal her. Kannst du das Mädchen zu Seiner Durchlaucht bringen? Es ist die Tochter des Juden.«
    Der Diener trat näher und musterte Lea mit verkniffenem Gesicht. »Ich glaube nicht, dass der Herr dich heute Abend noch zu sehen wünscht.«
    »Ich bringe Nachrichten aus Sarningen, und ich fürchte, der Herr wird böse, wenn er sie nicht bald erfährt.« Lea hörte ihre Stimme zittern und wäre am liebsten davongelaufen. Es sah nicht so aus, als wäre Gott ihrem Vorhaben gewogen. Der Diener ging um sie herum und schüttelte spöttisch den Kopf. »Ich glaube nicht, dass eine so dürre Ziege wie du dem Geschmack Seiner Durchlaucht entspricht. Aber wenn du unbedingt selbst erfahren willst, was er von dir hält, dann komm mit. Behaupte aber hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Der Herr ist im Moment … Nun ja, du wirst es selbst sehen.«
    Das seltsame Gehabe des Mannes stieß Lea so ab, dass sie den Rest ihres Mutes zusammennehmen musste, um ihm zu folgen. Er führte sie in ein schmuckloses Nebengebäude und weiter durch einen engen, schmuddeligen Flur, in dem es nach Kohl und menschlichen Ausdünstungen roch, zu einer steilen Treppe, die an einer unauffälligen Tür endete. Dahinter öffnete sich ein Korridor, der mit dicken, farbigen Teppichen belegt war und an dessen Wänden alte Rüstungen, Waffen und Fahnen hingen, Trophäen, welche die Herren von Hartenburg im Lauf der Jahrhunderte gesammelt hatten. Der Gang schien kein Ende zu nehmen, doch als Lea sich schon fragte, ob sie in ein verfluchtes Haus geraten war, aus dem niemand mehr hinausfinden konnte, blieb der Diener vor einer mit Schnitzereien überzogenen Rundbogentür stehen und klopfte. Nach kurzer Zeit erscholl eine Antwort, die sich wie ein Wutausbruch anhörte.
    »Ich hatte dich ja gewarnt«, sagte der Mann, öffnete die Tür und schob Lea in den Raum. »Verzeiht, Euer Durchlaucht, aber die Tochter des Juden Goldstaub wünscht Euch dringend zu sprechen.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er sich zurück und schloss die Tür so schnell hinter sich, als befände er sich auf der Flucht. Lea blieb wie gebannt in der glitzernden, von Wachskerzen erhellten Pracht stehen und blinzelte angesichts der plötzlichen Lichtfülle. Erst nach und nach wurde ihr bewusst, dass sie in einem Schlafgemach stand, in das die Grundfläche ihres Elternhauses mindestens zweimal hineinpasste. Die Wände waren getäfelt und abwechselnd mit seltsam unanständig wirkenden Bildern aus der christlichen Mythologie und Wandteppichen mit Jagdmotiven geschmückt. Die Mitte der Rückwand nahm eine wuchtige Bettstatt ein, die von einem hölzernen Betthimmel gekrönt wurde und mit Vorhängen aus blauem, italienischem Samt verschlossen werden konnte. An den Wänden standen große Truhen mit geschnitzten Wappenschilden und anderen kriegerischen Motiven, und in einem Alkoven, dessen Vorhänge ebenfalls hochgebunden waren, war ein weiteres Bett. Der Fußboden bestand aus verschiedenfarbenen Marmorplatten und war mit Wollteppichen bedeckt. Mit einem Schlag wurde Lea sich der fünf Augenpaare bewusst, die sie durchdringend musterten. Zwei gehörten zu einem Paar, das eng umschlungen vor dem Alkovenbett lag, so als wäre es in wildem Spiel zu Boden gerutscht. Ein weiteres dem Hofnarren, der sich

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