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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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bemerkte, als er ein leichtes Hüsteln vernahm. Unwillkürlich drehte er sich um und entdeckte einen jungen Mann mit glänzend schwarzen Haaren und einem schmalen, spöttischen Gesicht, dessen Oberlippe von einem schmalen Bärtchen beschattet wurde. Der Mann war mit Sicherheit kein Jude, denn er trug eng anliegende Strumpfhosen von hellgrüner Farbe, ein vielfach gefälteltes rotes Wams mit breiten Schultern und weiten Ärmeln, die an den Ellbogen endeten und pludrige, weiße Hemdsärmel freigaben. Die Schuhe des Mannes waren modisch eng und wohl eher zum Reiten geeignet als zum Gehen. Für einen Edelmann war seine Tracht jedoch zu schlicht, daher nahm Saul an, dass es sich um den Sohn eines städtischen Patriziers oder eines reichen Fernhandelskaufmanns handelte.
    »Du kommst tatsächlich aus Hartenburg?« Zofar ben Naftali musterte Saul ungläubig. »Ich habe gehört, dass es in der Gegend große Probleme für unsere Mitbrüder gab.«
    »Samuel, der Sohn von Jakob ben Jehuda, schickt mich, Herr.«
    Saul ging die Lüge weitaus leichter von den Lippen als Jochanan in Augsburg.
    Der Bankier beugte sich interessiert vor. »Uns haben üble Nachrichten erreicht. In Sarningen soll es zu einem schlimmen Pogrom gekommen sein, gerade, als unser Bruder Jakob ben Jehuda dort zu Besuch weilte. Ist ihm etwas zugestoßen?«
    »Mein Herr ist mausetot!«, antwortete Saul mit einem bitteren Auflachen. »Die Christen haben ihn wie einen Hund erschlagen und viele unserer Brüder und Schwestern mit ihm, nicht ohne ihnen vorher noch schreckliche Dinge angetan zu haben.«
    »Was erzählt er?«, fragte in diesem Augenblick der Gast des Bankiers in jenem gestelzt klingenden Deutsch, das die christlichen Kaufleute im Reich zu benutzen pflegten. Seiner Aussprache nach musste er aus dem Norden stammen, aus einer der großen Küstenstädte am Meer.
    Der Bankier warf seinem Gast einen leicht verwunderten Blick zu, übersetzte ihm dann aber Sauls Jiddisch in den örtlichen Dialekt, dem der junge Mann offensichtlich folgen konnte.
    »Die schlimmen Dinge sind wohl eher den Schwestern angetan worden als den Brüdern«, antwortete dieser in einem Tonfall, der nicht verriet, wie er zu dem Gehörten stand.
    Saul fasste die Bemerkung als Spott auf und ärgerte sich über den Hausherrn, der die Probleme seines Volkes vor einem Fremden besprach. Merkte er nicht, dass sein Gast sich am Unglück seiner Glaubensgenossen weidete? Wahrscheinlich steckte der Kerl in Schwierigkeiten und war zu Zofar ben Naftali gekommen, um Geld aufzunehmen und ein wertvolles Erbstück dafür zu versetzen, ein Geschäft, das Zofar ben Naftali, der jetzt schon in Geld schwamm, noch reicher machen würde. Der Neid schnürte Saul fast die Kehle zu, und ihn tröstete noch nicht einmal die Tatsache, dass der Bankier seine Schätze nur innerhalb seiner eigenen vier Wände präsentieren durfte. Außerhalb des Hauses musste auch er in einem schäbigen Mantel aus dunklem Stoff mit dem gelben Ring auf der Schulter und dem unbequemen spitzen, gelben Hut herumlaufen, wie es für Juden Vorschrift war. Zofar ben Naftali bedachte die Bemerkung des jungen Mannes mit einem nachsichtigen Kopfschütteln und blickte Saul fragend an. »Du sagst, Jakob ben Jehuda sei tot. Das ist eine sehr schlechte Nachricht. Was ist mit seinen Kindern? Ihnen geht es doch hoffentlich gut?«
    »Sie waren ebenfalls mit in Sarningen, konnten aber dem Massaker entkommen. Elieser wurde schwer verletzt unter einem Berg von Leichen gefunden, seine Geschwister blieben jedoch ohne Schaden, weil eine gute Freundin der Familie sie in ihrem Keller versteckt hatte.« Da Zofar ben Naftali ihn weiter auffordernd anblickte, lieferte Saul ihm einen phantasievollen Bericht über das Pogrom in Sarningen, der keine Ähnlichkeit mit dem wahren Geschehen hatte.
    »Gedankt sei dem Gott Abrahams, Isaaks und Israels, der den Kindern unseres Bruders Jakob ben Jehuda in dieser schweren Stunde beistand«, rief Zofar aufatmend, als Saul seine Erzählung beendet hatte. Er winkte ihn näher zu sich heran und reichte ihm seinen eigenen Weinbecher. »Trink, du hast es dir verdient.«
    Der Wein war schwer und süß und schmeckte viel besser als jener, den Jakob ben Jehuda in seinem Haushalt hatte ausschenken lassen. In dem Moment erinnerte Saul sich an Leas Brief und leerte den Becher in einem Zug.
    »Ich habe hier eine Nachricht für Euch, von Samuel.« Er reichte Zofar ben Naftali das Schreiben und gab ihm gleichzeitig den Becher zurück.
    Der

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