Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
Bankier stellte das Trinkgefäß zu Sauls Enttäuschung auf einem niedrigen Tisch ab, nahm den Umschlag entgegen und erbrach das Siegel. »Samuel ben Jakob wünscht, dass ich dir die Summe übergebe, die sein Vater bei mir hinterlegt hat. Nun, das würde ich gern tun. Aber es ist nicht Sitte, das gesamte Geld einem Boten anzuvertrauen. Das muss der Besitzer oder sein Erbe schon persönlich abholen. Ich gebe dir fünfhundert Gulden mit. Richte Samuel bitte aus, dass er den Rest erhält, wenn er mich aufsucht.« Das klang so bedauernd, als überlege Zofar ben Naftali, ob er nicht doch mit der durch böse Erfahrung entstandenen Sitte brechen solle.
    Saul schwindelte, als er die Summe vernahm. Fünfhundert Gulden waren mehr, als ein Dutzend Knechte zusammen im Lauf ihres gesamten Lebens verdienen konnten. Wenn er das Geld Lea brachte, würde es ihre Familie kaum reicher machen, als sie es bereits war. Behielt er es aber, würde er hinfort nicht mehr für geringen Lohn schuften müssen.
    Er senkte den Kopf, weil er Angst hatte, seine Gedanken könnten sich auf seinem Gesicht abzeichnen. »Mein Herr benötigt das Geld sehr dringend. Ich bitte Euch daher, es mir umgehend auszuzahlen, damit ich noch heute aufbrechen kann.«
    »Heute noch?«, fragte Zofar ben Naftali verwundert. »Bleib wenigstens bis morgen, denn dann kannst du den Abend unter Brüdern verbringen und mit uns in unserer Synagoge beten.«
    Es gelang Saul, Enttäuschung zu heucheln. »Nichts wäre mir lieber, doch mein Herr hat mir aufgetragen, nicht zu säumen.«
    Zofar stand seufzend auf. »Du entschuldigst mich für einen Moment. Ich komme gleich wieder«, sagte er zu seinem Gast und winkte Saul, ihm zu folgen.
    Kurze Zeit später hielt Saul eine große Tasche aus festem Leder in der Hand, in die der Kaufherr kleine, vor seinen Augen abgezählte Päckchen mit Goldstücken gesteckt hatte. Er zog seine Oberkleidung aus und befestigte die Tasche mit Lederriemen an seinem Körper. Als er seinen Kaftan überstreifte, musste er den Wunsch bezwingen, auf der Stelle davonzulaufen. Er setzte ein devotes Lächeln auf, verneigte sich tief und bedankte sich in Samuels Namen. Dann verabschiedete er sich von Zofar ben Naftali und folgte dem Hausdiener, der ihn nach unten führte und aus dem Haus ließ. Kaum aber hatte sich die Haustür hinter ihm geschlossen, begann er zu rennen, als wäre der Teufel hinter ihm her, denn er hatte Angst, der Bankier könnte es sich anders überlegen und ihm das Geld wieder abfordern. Dabei entging ihm, dass Zofar ben Naftalis Gast oben am Fenster stand und ihm interessiert nachblickte.

7.
    Als der Bankier in sein Zimmer zurückkehrte, drehte sein Besucher sich mit spöttischer Miene zu ihm um. »Ich hoffe, Samuel ben Jehuda hat die Treue seines Knechts schon erprobt. Der Bursche sah mir nämlich ganz so aus, als wolle er mit dem Geld durchbrennen.«
    Zofar ben Naftali schüttelte mit einem überlegenen Lächeln den Kopf. »Da musst du dich irren, Orlando. Kein jüdischer Knecht würde seinen Herrn betrügen. Täte er es doch, so wäre er von diesem Tag an ein Ausgestoßener, mit dem kein wahrer Gläubiger mehr etwas zu tun haben wollte, und ohne den Schutz der Gemeinschaft ist ein Jude in dieser Zeit verloren. Nachrichten laufen oft schneller als Pferde, wie du selbst weißt, und in den meisten Gemeinden würden unsere Brüder diesen Saul einem christlichen Richter übergeben. Nein, mein Freund, der Mann ist ein braver Diener, der alles tun wird, um das Geld so schnell wie möglich seinem Herrn zu übergeben.«
    Der junge Mann war nicht so leicht zu überzeugen. »Wie viel Geld hast du diesem Saul ausgehändigt? Fünfhundert Gulden?
    Es kostet ihn nur zehn davon, einen Pfaffen zu finden, der ihm bescheinigt, seinem ketzerischen Glauben abgeschworen zu haben und ein guter Christ geworden zu sein. Man wird vielleicht noch ein wenig über das fehlende Stückchen Haut an seinem Glied spotten, doch keine christliche Frau würde zögern, für ihn die Beine zu spreizen, wenn es ihr zum Vorteil gereicht.«
    Der Bankier ärgerte sich sichtlich über die Hartnäckigkeit, mit der sein Gast seinen Standpunkt vertrat. »Du siehst viel zu schwarz, Orlando. Saul wird seinen Herrn gewiss nicht betrügen.«
    Der junge Mann schüttelte unwillig den Kopf. »Du wirst noch erfahren, wer von uns Recht hat. Und nenn mich nicht immer Orlando! Ich bin Roland Fischkopf. Bitte denke daran, und verplappere dich nicht mehr. Es gibt da ein paar Leute, die sich die

Weitere Kostenlose Bücher