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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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des Schatzes, der noch von Gestein umschlossen war. Dieses Gold würde sie zu einem jüdischen Juwelier in einer der großen Städte bringen müssen, damit er es ausschmolz und in Stangen goss, die wiederum zerschnitten und zu Münzen verarbeitet werden konnten.
    Lea schwankte einen Augenblick, ob sie noch aufräumen oder gleich den Markgrafen aufsuchen sollte, und entschied sich für den Gang in die Höhle des Löwen. Sie wies Ketura an, die frisch geprägten Münzen in Beutel zu packen und in das Zimmer ihres Vaters zu bringen. Dort konnten die Diener des Markgrafen sie später abholen. Sie selbst eilte nach oben und verwandelte sich unter Sarahs kundigen Händen in Samuel.
    Rachel erschien an der Tür, starrte Lea an und machte das Zeichen gegen den bösen Blick. Sie hatte sich nicht überzeugen lassen, dass Leas Plan die einzige Möglichkeit war, der Familie die Heimat zu erhalten, und neidete der Schwester die Stellung, die diese nun in der Familie einnahm. Hatte Lea sie früher gescholten, war sie zu ihrem Vater gelaufen, um sich von ihm trösten zu lassen. Da Jakob Goldstaub seine schöne jüngere Tochter sehr geliebt hatte, war sie selten ohne eine Leckerei oder ein kleines Geschenk aus seinem Zimmer zurückgekehrt, und oft genug hatte ihr Vater die Ältere später getadelt, weil sie zu wenig Nachsicht mit ihrer kleinen Schwester gezeigt hatte. Rachel vermisste den Schutz ihres Vaters und war Lea gram, weil sie nun auf viele Annehmlichkeiten verzichten musste.
    »Ich wollte, Elieser wäre gesund«, erklärte sie mürrisch.
    »Das wünschen wir uns alle«, antwortete Lea gleichmütig, denn die Erschöpfung raubte ihr sogar die Kraft, sich zu ärgern. Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihr jüngerer, vom Vater verwöhnter Bruder sich angesichts des geballten Hochmuts und der Forderungen des Markgrafen verhalten hätte, und kam zu dem Schluss, dass sie der Rolle des Familienoberhaupts wesentlich besser gewachsen war. Trotz dieser Erkenntnis war ihr auf dem Weg zur Burg so beklommen zumute, dass sie Angst hatte, beim ersten falschen Wort in einen Heulkrampf zu verfallen. So war es vielleicht ganz gut, dass die schmerzenden Muskeln sie zu einem gemessenen Schritt zwangen, und der Spott der Vorübergehenden, der junge Jude habe wohl keine Zeit verloren, sich der Geschwindigkeit seines Vaters anzupassen, kränkte sie nicht, sondern gab ihr die Fassung zurück. Diesmal ließ man sie lange am Burgtor warten. Die Uhr von St. Koloman hatte schon zweimal die volle Stunde geschlagen, als endlich ein Diener erschien und sie aufforderte, ihm zu folgen. Er führte sie jedoch nicht zu den Gemächern des Markgrafen, sondern in einen Seitenflügel und schob sie ohne vorher anzuklopfen in Frischlers Kabinett.
    Der Sekretär flegelte sich nachlässig in einem bequemen Sessel neben dem Schreibtisch, so als wollte er seinem Besucher zeigen, dass ein Jude ein minderes Wesen war, dem man keinerlei Höflichkeit entgegenbringen musste. Aber es war zunächst weniger der Mann, der Leas Aufmerksamkeit auf sich zog, als das mit Intarsienarbeiten verzierte Möbelstück, das durch seine wuchtigen Formen den Raum beherrschte und aus dessen unzähligen Schubfächern unordentlich zusammengelegtes, meist eng beschriebenes Papier quoll. Auf der Arbeitsfläche lagen mehrere unbeschriftete Blätter, ein Tintenfass, einige Federn sowie eines jener Büchlein, dessen Aufmachung verriet, dass seine Seiten nicht von Hand geschrieben, sondern im Holzschnittverfahren bedruckt worden waren. Sonst war der Raum nur noch mit einer bemalten Truhe, die halb durch unordentlich darüber geworfene Kleidungsstücke verdeckt wurde, einem kleinen Tisch und zwei klobigen Stühlen möbliert.
    Frischler zog eine Miene, als hätte er schon ungeduldig auf Samuel gewartet, dabei hatte er sich offensichtlich in aller Eile angezogen, ohne auf die Zusammenstellung seiner Kleidung Acht gegeben zu haben, denn er trug eine hautenge, hellrote Strumpfhose, die sich in der Lendengegend unanständig wölbte, und ein mit Rüschen und Stickereien verziertes Hemd der gleichen Farbe, das wohl eher der Garderobe des Markgrafen entstammte. Die Strümpfe hatte er ganz vergessen, stattdessen schlugen sich die Zehen seines linken Fußes mit einem zierlichen rosa Pantöffelchen herum, während der andere Fuß in einem plumpen Filzpantoffel steckte.
    In der halb geöffneten Tür zum angrenzenden Schlafraum stand Berta, die Geliebte des Sekretärs, und musterte Samuel ungeniert. Der

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