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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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»Da bin ich aber froh! Hat er das Geld mitgebracht?«
    »Das weiß ich nicht. Er wollte erst mit dir reden. Aber was ist mit dir? Ist der Markgraf nun zufrieden?«
    Lea ballte die Fäuste. »Er will weitere fünfhundert Gulden aus uns herauspressen, und ich habe keine andere Wahl, als auf seine Forderung einzugehen. Jetzt kann ich nur hoffen, dass dein Bruder Erfolg hatte.«
    Sie fand Jochanan in der Küche vor, wo seine Mutter ihn mit all jenen Leckerbissen voll stopfte, auf die er unterwegs hatte verzichten müssen. Bei Leas Anblick wischte er sich schuldbewusst die Hände an seinem Kittel sauber.
    »Dem Gott Israels sei gedankt, dass er deinen Schritt unbeschadet wieder in die Heimat gelenkt hat«, begrüßte Lea ihn und starrte ihn erwartungsvoll an. »Hat Ruben ben Makkabi dir das Geld gegeben?«
    Jochanan senkte den Kopf und zuckte etwas hilflos mit den Schultern. »Er hat mir nur einen Teil der Summe ausgezahlt. So wäre es Sitte, hat er gesagt. Den Rest müsstest du selbst bei ihm holen.«
    In Leas Augen trat ein entschlossenes Funkeln, das nicht nur ihn das Schlimmste befürchten ließ. Sarah schlug sich vor Schreck mit den Handflächen gegen die Wangen und bat Gott, das Mädchen von weiteren Unbesonnenheiten abzuhalten. Lea achtete jedoch nicht auf sie, sondern fragte Jochanan ungeduldig, wie viel Geld er denn mitgebracht habe.
    »Fünfhundert Gulden.«
    Lea stieß einen Jubelruf aus. »Das ist genau die Summe, die ich noch brauche. Gott hat uns also nicht verlassen.«
    Sie drehte sich mit einem erleichterten Aufseufzen zu Sarah um und befahl ihr, gut für ihren Sohn zu sorgen. »Morgen werde ich zur Burg hochgehen, den Markgrafen bezahlen und ihm den Judeneid leisten. Jochanan wird mich begleiten und mir helfen, das Gold zu tragen.«
    Bei dem Wort Judeneid stöhnte der junge Knecht auf und schlug die Hände vors Gesicht. Er wusste, zu welch abscheulichen Dingen Juden bei dieser Zeremonie gezwungen wurden, und betete stumm, aber inbrünstig, dass Gott seiner mutigen Herrin auch jetzt wieder einen Ausweg zeigen würde. Dabei fiel ihm ein, dass er Lea ja auch noch von Ruben ben Makkabis Heiratsplänen berichten musste, beschloss dann aber, diese Angelegenheit zu verschieben, bis Lea ihre augenblicklichen Probleme gelöst hatte.

10.
    Orlando Terasa de Quereda y Cunjol, der sich seit einigen Jahren schlicht Roland Fischkopf nannte, schlenderte zufrieden durch eine enge, schmutzige Gasse, um auf dem kürzesten Weg zu seinem Gastgeber zurückzukehren. Er hatte seinen letzten Auftrag erfüllt und konnte am nächsten Morgen unbesorgt Weiterreisen. Unterwegs wich er dem Inhalt eines Nachttopfs aus, der aus dem oberen Stockwerk eines Hauses auf die Straße geleert wurde, und stand plötzlich vor einer Schenke, die etwas reinlicher aussah als die meisten in diesem Viertel. Der Anblick des gemalten Krugs auf dem sanft im Wind schwingenden Wirtshausschild machte ihm Appetit auf einen Krug des erfrischenden Trunks von den hiesigen Hängen. Zofar ben Naftali war wirklich ein aufmerksamer Gastgeber, aber seine Weine waren ihm zu schwer und zu süß.
    Kurz entschlossen trat Orlando in die Gaststube und kniff die Augen zusammen, um sie an das Dämmerlicht zu gewöhnen, das durch die mit dünn geschabter Kalbshaut bespannten Fenster fiel. Der Wirt sah verwundert auf und schien sich zu fragen, was ein so gut gekleideter Herr in seiner Schenke zu suchen hatte, besann sich aber schnell und wieselte eilfertig herbei.
    »Was darf es denn sein, edler Herr?«
    »Das ›edler‹ kannst du weglassen und das ›Herr‹ ebenfalls. Ich bin nur ein einfacher Handelsagent«, erwiderte Orlando lachend.
    »Aber ein sehr gut angezogener«, fand der Wirt mit einem achtungsvollen Blick auf die Garderobe seines Gastes.
    »Schöne Kleidung ist nun einmal eine meiner kleinen Schwächen.« Orlando klopfte ihm auf die nicht ganz sauberen Schultern und forderte ihn auf, ihm einen Becher seines besten Weins zubringen. Dabei sah er sich nach einem freien Platz um und stutzte. Ganz hinten in einer Ecke, die mehr durch den Kienspan neben dem noch kalten Kamin als durch das Tageslicht erhellt wurde, saß ein Mann in auffallend schlecht zusammenpassender Gewandung. Seine Hosen waren für die heutige Mode zu weit und hatten wohl einmal einem Rheinschiffer aus der Gegend von Köln gehört, und er trug Holzschuhe, wie man sie im Schwarzwald schnitzte. Das dunkle Wams mit den langen, vorne zugebundenen Ärmeln war von der Art, wie es die Aufseher in den

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