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Die Goldhaendlerin

Die Goldhaendlerin

Titel: Die Goldhaendlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vor ihrem habgierigen Landesherrn zu verbergen.
    Auch hatte sie sich bisher dem Drängen Ruben ben Makkabis nach einer Doppelhochzeit entziehen können, obwohl der Rabbi nicht locker ließ. Aber er hatte es aufgrund ihrer wortreichen Schilderungen akzeptiert, dass Samuel seine Stellung als Hoffaktor festigen musste, bevor er den Markgrafen um eine Heiratserlaubnis bitten durfte, und er hatte auch verstanden, dass Lea in dieser Zeit für die Leitung des Haushalts unentbehrlich war. Kürzlich hatte er seinem lieben Samuel jedoch zu verstehen gegeben, dass er nicht mehr lange zu warten gedachte, und Lea hatte eine neue Ausrede vorbereitet, die nicht nur stichhaltiger war als der Hinweis auf ihren Landesherrn, sondern dem Rabbi den Wind aus den Segeln nehmen würde, zumindest, was Samuel betraf. Aber wenn sie keinen Weg fand, den mörderischen Absichten des berüchtigten Judenjägers Medardus Holzinger zu entkommen, würden sich all ihre Sorgen in den Flammen eines eigens für sie errichteten Scheiterhaufens auflösen.
    »Der Geruch eines brennenden Juden ist ein Wohlgeruch in der Nase des Herrn!« Die Worte des hageren, ungewaschenen Mönches bereiteten Lea beinahe körperliche Schmerzen, und sie musste ihre Knie zusammenpressen, damit das Zittern ihrer Beine sich nicht auf die Bank übertrug, auf der sie saß. Ein Ritter, der von drei Reisigen begleitet wurde und dem Wein schon reichlich zugesprochen hatte, stimmte Holzinger mit dröhnender Stimme zu. Lea fragte sich, ob Saul, auf dessen Rückkehr sie vergebens gewartet hatte, auf dem Heimweg von einer Rotte wie dieser hier umgebracht worden war. In Worms war er gewesen, das hatte sie von Zofar ben Naftali erfahren. Neben ihr verlor Jochanan die Nerven. Er sprang auf, murmelte etwas von »auf den Abtritt gehen« und schlängelte sich durch die Menschen in Richtung Tür. Als er an dem Ritter vorbeikam, sprang dieser auf und schlug ihn mit der Faust nieder, die in einem metallbeschlagenen Handschuh steckte. Jochanan flog gegen die Wand, stürzte mit blutüberströmtem Gesicht zu Boden und krümmte sich wimmernd.
    Lea hätte am liebsten den nächstbesten Gegenstand gepackt und wäre damit auf den Ritter losgegangen, doch seiner herausfordernden Miene und den erwartungsvollen Gesichtern der anderen Gäste war deutlich anzusehen, dass sie auf so eine Reaktion lauerten. Ein falscher Schritt von ihr, und man würde sie ergreifen und auf möglichst unangenehme Weise zu Tode bringen. Lea war klar, dass die Leute sie auch dann nicht entkommen lassen würden, wenn sie sich völlig passiv verhielt. Früher oder später würden sie den Hetzreden des Mönches folgen und sie und Jochanan ins Feuer werfen. Aber sie gedachte den Augenblick so lange wie möglich hinauszuzögern, denn solange sie lebte, konnte Gott vielleicht doch noch ein Wunder geschehen lassen. Das zustimmende Johlen der Gäste auf die nächste Bemerkung des Judenjägers zeigte Lea, dass sie wohl vergebens hoffte. Ihre Doppelexistenz als Lea und Samuel Goldstaub, die sich nach den ersten Schwierigkeiten so viel versprechend entwickelt hatte, würde in dieser kleinen, verwitterten Herberge zwischen Dillingen und Günzburg enden.
    Wie bei einem Sterbenden zogen die Bilder der vergangenen drei Jahre noch einmal an ihren Augen vorbei. Sie war den Anweisungen ihres Vaters an Samuel gefolgt, hatte unter dem Namen ihres Bruders die Geschäftskorrespondenz beantwortet und war etliche neue Abmachungen eingegangen, so dass die Geschäfte ihres Vaters unter ihrer Leitung nahtlos weitergelaufen waren und sogar kräftigen Aufschwung genommen hatten. Ihr Geld arbeitete nun bis weit über die Grenzen des Reiches Deutscher Nation hinaus und mehrte sich beinahe wie von selbst, denn sie hatte bei der Wahl ihrer Beteiligungen eine glückliche Hand besessen.
    Letztendlich hatten sich der Goldstaub und die kleinen Körner als Schlüssel zu ihrem Erfolg erwiesen. Als sie eine Aufstellung ihres Vermögens gemacht und dabei das Flussgold gewogen hatte, war sie beinahe auf den doppelten Wert jener Klumpen gekommen, die sie zu Hartenburger Gulden geschlagen hatte, um die Gier des Markgrafen zu befriedigen. In der Zwischenzeit hatte sie einen Teil des Goldes aus ihrer Heimat hinausgeschmuggelt, es zu verschiedenen Goldschmelzen gebracht und zu Münzen, Stangen und Barren verarbeiten lassen. Diesmal war sie zum gleichen Zweck unterwegs, und die Beutel, die in unauffälligen Hüllen in ihrem und Jochanans Gepäck untergebracht waren, wogen mehr

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