Die Goldhaendlerin
Doch hat der Satan nicht auch Hiob in Versuchung geführt, genauso wie den heiligen Benedikt und die heilige Cäcilie? Dünkt Ihr Euch etwa reiner oder sicherer vor den Werken des Teufels als diese drei erhabenen Personen?«
Dem Gesicht des Mönches war anzusehen, dass er sich durchaus reiner fühlte, und er protestierte auch wütend gegen diese Unterstellung, aber seine Worte gingen in aufbrandendem Gelächter unter.
»Was können wir denn sonst mit den Juden anfangen?«, fragte der Ritter enttäuscht.
Der junge Mann lächelte herablassend. »In Birnbach in Bayern müssen sich die Juden jedes Jahr an Abrahams Geburtstag in ihrer Synagoge versammeln und eine große Portion Schweinefleisch essen.«
»Kein schlechter Gedanke! Das ist für die doch dasselbe, als wenn unsereiner seinen eigenen Kot fressen müsste.« Begeistert drehte der Ritter sich zum Wirt um und verlangte zwei Riesenportionen von dem über dem Feuer bratenden Spanferkel.
»Aber besonders fett!«, rief der Handelsagent. Dann betrachtete er Jochanan mit zweifelndem Blick und schüttelte den Kopf.
»Ihr hättet dem Kerl nicht die halben Zähne ausschlagen sollen. So bringt er nichts hinunter. Wirt, für den Knecht nur ein Stück klein geschnittenen Specks. Soll doch sein Herr für ihn mitfressen.«
Das war ein Spaß genau nach dem Herzen der Reisigen und Handelsleute, die in der Herberge Unterkunft gefunden hatten. Ein paar von ihnen packten Jochanan und schleppten ihn zu Leas Tisch, um den sich nun alle versammelten. Einzig der Mönch blieb auf seinem Platz hocken und murmelte lateinische Worte, die jedoch nicht nach frommen Gebeten klangen. Leas Erleichterung, der Aufdeckung ihres Geschlechts und einer Massenvergewaltigung durch die anwesenden Männer entgangen zu sein, währte nicht lange. Angewidert starrte sie auf das fette, dampfende Stück Schweinefleisch, das noch über das Brett hinausragte, welches der Wirt vor sie hinstellte, und kämpfte allein von dem Geruch mit Magenkrämpfen und Übelkeit. Als sie zu dem geckenhaften Mann aufsah, nahm sie ein belustigtes Grinsen wahr. Wie es schien, hatte er sie nur deswegen vor dem Feuertod bewahrt, um sich stundenlang an ihren Qualen ergötzen zu können.
Am liebsten hätte sie den Schweinebraten gepackt und ihm an den Kopf geworfen. Da die Stimmung in der Gaststube schnell wieder umschlagen konnte, zwang sie sich zu der Einsicht, dass es besser sei, Schweinefleisch zu essen und sich in den nächsten Wochen mit Gebeten und Fasten zu reinigen, als für immer tot zu sein. Widerwillig ergriff sie das Messer, das ihr der Ritter in die Hand drückte, und schnitt sich ein kleines Stück von dem Braten ab. Neben ihr fütterte der Geck Jochanan wie ein kleines Kind mit triefendem Speck. An dem Blick ihres Knechts erkannte sie, dass es auch ihm lieber war, mit Schweinefleisch besudelt als verbrannt zu werden. In dem Augenblick hasste Lea sich selbst für die Tatsache, dass sie nicht weniger am Leben hing als ihr Begleiter.
Mit einer unhörbaren Verwünschung, die den hier Anwesenden im Allgemeinen und dem Handelsagenten im Besonderen galt, begann sie zu essen. Ihr Quälgeist ließ sie jedoch auch jetzt nicht in Ruhe. »Schmeckt es dir, mein beschnittener Freund? Übrigens sagen die großen Kirchenlehrer, dass ihr Juden in der Hölle in Luzifers Schweinestall gesperrt werdet, damit der Höllenfürst sich an euren vor Abscheu verzerrten Mienen weiden kann.«
Die Leute rings um ihn lachten, und als Leas Gesicht vor Wut dunkel anlief und sie ihren Peiniger mit gefletschten Zähnen anfunkelte, schlug sich der Ritter vor Begeisterung auf die Schenkel. »Der da wartet nicht bis zur Hölle!«
»Iss weiter, mein beschnittener Freund.« Die Stimme des jungen Mannes klang sanft, aber zwingend. Da Lea nicht sofort reagierte, nahm er ihr das Messer aus der Hand, schnitt ein Stück nach dem anderen von dem Braten ab und stopfte es ihr unter dem Gejohle der Zuschauer in den Mund, und er ließ erst von ihr ab, als das Brett vor ihr fast blank geputzt war.
»Jetzt soll der Jude auf der Sau reiten«, forderte der Kaufmann, der das Holz hatte bezahlen wollen. Der Handelsagent warf einen Blick nach draußen und schüttelte den Kopf.
»Dafür ist es schon zu dunkel. Wir würden kaum etwas sehen und uns im Schweinekoben höchstens Schuhe und Gewand beschmutzen.«
»Das würde dir wohl in der Seele wehtun.« Der Ritter, der selbst in recht buntscheckiges Tuch gekleidet war, zeigte dabei auf das dunkelblaue, vielfach
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