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Die Goldmacherin Historischer Roman

Titel: Die Goldmacherin Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Conrad
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Stunde hatte sie allein gebraucht, bis sie das große Steinbecken aus der Ecke in die Mitte des Laboratoriums gezerrt hatte. Sie wusste gar nicht mehr, wie viele Male sie mit dem Schöpfzuber hinten im eisigen Winkel in den tiefen Brunnen hinabgefahren war. Zehnmal musste sie an der Kette ziehen, bis der Eimer wieder heroben war.

    Sie goss sich einen Becher Wasser ein und betrachtete die Anordnung. Im Steinbecken schimmerte das bläuliche Königswasser, der Säuregeruch biss in ihrer Nase. Die goldenen Figuren hatte sie eingeschmolzen, auch einige von den Münzen, die sie von Ezechiel erhalten hatte. Sie waren inzwischen doch übereingekommen, die Edelsteine nur nach und nach einzutauschen. Die Juden hatten den Gegenwert so schnell nicht auftreiben können.
    Aurelia leerte den Becher. Sie war so erleichtert, dass sie das Pfund reines Gold trotz allem zusammengebracht hatte, um die Wandlung anzuschieben. Die ersten sechs Ingredienzien – Fluor, Phosphorus, Alaun-Blutsalz, Schwefel und grünes Kupfersalz – hatte sie im Steinbecken mit dem Pfund Gold zusammengeschmolzen.
    Der Luftzug minderte den Gestank. Aurelia war, als ob sie wieder schneller denken könne. Hitze, sie brauchte große Hitze. »Ich muss den Schmelzofen mit dem Pechöl entfachen«, murmelte sie.
    Sie hob den Deckel von der Zinnkanne und goss Öl auf die Holzscheite unter dem Schmelzstein.Von einem kleinen Athanor in der Ecke holte sie ein Stückchen Glut und warf es auf das Holz. Die Dämpfe des Steinöls zündeten sofort. Im Nu wurde es heiß im Laboratorium.
    Eisenbruch und Kupferblech lagen klein gehäckselt im Schmelztiegel. Das waren sieben und acht, gelbes Steinmehl neun, Bleisalz die zehnte Ingredienz. In den Schmelztiegel streute sie noch roten Zinnober und blaues Steinmehl zu gleichen Teilen. Eine Ingredienz fehlte noch.
    Warum nur wollte und wollte der blutrote Schleier vor ihrer Erinnerung nicht schwinden, der die letzten Worte ihres Vater umwölkte? Aber sein Tod unter der Hand der Söldner war so schrecklich gewesen, sie war so außer sich gewesen …
    Aurelia biss ins Brot und kaute langsam. Sie sah den grünblauen
Flammen zu, die an den Holzscheiten leckten. Der alte Jude hatte ihr geholfen. Dank seines arkanen Wissens um die Welt der Zahlen hatte Aurelia begriffen, dass sie das dreizehnte Elementum aus der Rezeptur der Prophetissa lesen müsste. »Aber wie bloß ist die dreizehnte Ingredienz in der Rezeptur verschlüsselt?«, grübelte sie halblaut.
    Sie beschloss, erst einmal den Anweisungen zu folgen. Sie würde noch Flussspat anmischen. Als Flussmittel setzte er den Schmelzpunkt der Erze herab. Damit begann die Prophetissa die Beschreibung. Vielleicht war die Lösung ja gar nicht so schwierig, vielleicht musste man einfach den Zutaten je eine Zahl zuordnen.Also wäre Fluor gleichbedeutend mit der Eins, der Drei entspräche Alaunpulver, das man als dritte Ingredienz nach Phosphorus in die Schmelze fügen sollte. Eins und Drei. Fluor und Alaun. »Ergibt das einen Sinn?«, murmelte Aurelia. Wenn man es mischte, klebte es nur und taugte zu wenig mehr als ätzen.
    Kind, sieh nicht nur, was die Dinge sind, sondern auch wofür sie stehen. Fast hätte sie geglaubt, dort in der Ecke hinter den Feuerdämpfen stünde ihr Vater und lächelte. Doch es war nur ein Schatten neben dem Schrank.
    Eins und Drei waren Ziffern. Vielleicht ging es um die Buchstaben, dann wären es F und A. Die Prophetissa hatte die Rezeptur auf Latein geschrieben, also würde sie das dreizehnte in der alten Sprache nennen. »Fa, Fe, Fi, Fibrum … oder Fo?« Aurelia ging um den Herd herum und schürte kräftig das Feuer. Der Steintiegel strahlte solche Hitze ab, dass ihr der Schweiß auf die Stirn trat. Das Kupfer wurde schon weich.
    »Fre … Fremium … Fri?« Aurelia rüttelte mit einer langen Stange das Eisen unter das Kupfer.
    »Fla, Fle, Fli, Flo …« Als ihre Lippen den letzten Laut formten, durchzuckte es Aurelia. » Flos aeternus! « Das war es! Sie sah Vater wieder da liegen, wie ihn die Söldner zu Tode schleiften.
Sah seine Lippen, hörte wieder seine Worte. Mein Kind … Flos aeternus est elementum tercium decimum auri … Rosenquarz hieß so in der Sprache der Alchemisten.
    Aurelia rannte zu den Schränken des Kaisers, warf die Türen auf. Was für ein Glück, dass er die Tiegel und Fässchen nach dem Alphabet geordnet hatte. Gott gebe, dass er einen Vorrat von Rosenquarz hatte.
    Links unten im zweiten Schrank fand sie eine Zinnbüchse. Aurelia drehte

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