Die Goldmacherin Historischer Roman
schuldet uns noch dreißig Säcke Mehl. Soll er seinen Zehnt so begleichen.« Die Äbtissin wandte sich zum Gehen, drehte aber noch halb den Kopf. »Schwester Mechthild, Ihr seid mir für die neue Novizin verantwortlich. Führt sie in alles ein. – Und nun will ich das gelieferte Brennholz für den Winter sehen. Meister Gerhard?«, rief sie laut über den Platz. »Führt mich zu den Stapeln.«
Die alte Nonne verneigte sich hinter ihr.
»Lässt du uns wieder allein?«, fragte Beppo leise. Seine Augen füllten sich mit Wasser, Gundi wimmerte nur.
Aurelia bückte sich zu den beiden Kindern. Es fiel ihr schwer, sich von ihnen zu trennen, aber was sollte sie tun? »Ihr habt doch zur heiligen Ursula gebetet. Nun dürft ihr bei einem Müller wohnen und bekommt zu essen. Und ihr dürft mich bestimmt oft besuchen, nicht wahr, Schwester?«
Die Nonne strich sich die weißen Locken unter die Haube. Mit ihren dünnen Lippen sagte sie beruhigend: »Die Kinder dürfen dich am Sonntag zur Messe sehen.«
Gundi klammerte sich an Aurelias Arm. »Ich will nicht zu dem Mann.«
Schwester Mechthild tauschte einen verständnisvollen Blick mit Aurelia. Sie beugte sich ebenfalls zu den Kindern. »Der Müller ist ein sehr lieber Mann und er hat eine sehr liebe Frau.
Sie sorgen für viele Waisenkinder wie euch. Bei ihnen seid ihr sicher, das Kloster lässt euch nicht verhungern.« Sie richtete sich auf. »Und nun kommt, ihr drei, ihr braucht frische Kleider. Bald werden die Tore geschlossen, dann müssen die Kinder schon mit auf einem Wagen sitzen.«
Ohne sich umzuschauen, ging sie voran zum ersten, aus rotem Sandstein gemauerten Haus. Am Wappen über der Tür erkannte Aurelia den Konvent.
Sie sollte dankbar sein für diese Fügung, auch der Kinder wegen. Sie hätte sie niemals durch den Winter gebracht, der sehr viel Schnee bringen würde, das roch sie schon in der Luft. Doch der Gedanke, dass sich bald Klostermauern um sie schließen würden und sie so tun sollte, als wolle sie das ihr Leben lang ertragen, erschreckte Aurelia. Noch jede Nacht träumte sie von Romualds Umarmungen und jeden Morgen flehte sie den Himmel an, dass er nicht tot sein möge.
12
A urelia schwang sich von der Leiter auf den Dachfirst der Klosterscheune. Seit vier Wochen lebte sie nun schon im Kloster Rosenthal, aber jetzt sah sie es zum ersten Mal von oben. Zum Osten hin, wo die Sonne gerade milchig-fade aufging, stand das Nonnenhaus mit dem Kapitelsaal, dem Parlatorium für Besucher und dem Refektorium. Im Obergeschoss wohnten im Dormitorium die dreißig Chorschwestern, in einem anderen Raum die vierzehn Laienschwestern. Dort im Erdgeschoss war auch das Armarium mit den vielen Büchern untergebracht, das Aurelia bislang nur einmal hatte sehen dürfen, am Tag ihrer Aufnahme. Dort hätte sie lieber gearbeitet als hier mit klammen Fingern das Dach neu zu decken. Alle Tage bestanden im Kloster aus harter Arbeit. Schon am Morgen waren Flocken durch die Regentropfen getanzt.
»Wieder Schneeregen«, brummte die dicke Walli hinter ihr und tastete mit einem Fuß nach dem ungedeckten Dachsparren neben der Leiter. »Das Holz ist so glitschig nass.«
»Drüben am Hochwald bleibt der Schnee wohl liegen.« Aurelia richtete sich auf. Schwer lag die Winterkutte, die sie nun trug, auf ihren Schultern. Der Wind drang nicht durch das braune Wollzeug. »Unten am Bach hat es eher geregnet.«
»Fester Schnee wäre mir lieber, den kann man einfach abbürsten«, seufzte Walli und setzte sich auf den Balken. »Ist der Kuhstall schon offen? Eine warme Milch werden wir nachher schon brauchen.«
»Keine Sorge. Die andern melken gerade.« Aurelia hatte die ersten beiden Wochen im Stall ausmisten müssen. Kühe, Pferde
und Schweine gab es genug im Kloster, sogar eine große Schafherde blökte in einem Stall ganz hinten an der roten Sandsteinmauer zum Bach hin. Sie hatte die schmutzigsten Arbeiten verrichten müssen – doch etwas anderes hatte sie als Laiennovizin auch nicht erwartet. Das saubere Spinnen und Sticken taten die Nonnen selber. Auch wenn Aurelia der Rücken ständig schmerzte, war sie heilfroh. Was war harte Arbeit gegen ein Leben auf der Landstraße, zumal im Winter? Es gab im Kloster reichlich zu essen, die Hockstube der Laienschwestern war am Abend gar geheizt. Dort durfte sie seit einer Woche als Aspirantin am Nachtgebet teilnehmen. Doch schlafen musste sie noch im Gesindehaus auf Stroh, wie Walli und die anderen Dienstleute.Vorgestern, am Sonntag, hatte sie die
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