Die Goldmacherin Historischer Roman
Querseite der Tisch mit der Destille. Gegenüber stand ein Ruhesessel für Mechthild und daneben das Studienpodest mit den Büchern.
Aurelia hatte sich auf ihre Erinnerung verlassen und schließlich Mut gefasst, weil ihr alles so leicht von der Hand ging. Auch fand sie genug Glaskolben und Destillierkugeln vor. Mechthild war tüchtig, zweifellos. In einem kleinen Holzgestell verborgen ruhten zwanzig Tiegel mit duftenden Salben, leider ohne Beschriftung.
Täglich hatte Aurelia Vaters Allgegengift gebraut. Es wirkte nur richtig, wenn es frisch angesetzt wurde. Die kranken Nonnen bekamen es in reinem Wasser verdünnt zur Nacht eingeflößt. Aurelia benannte den Sud vor den Nonnen lieber Marientränen nach seiner Farbe, die an den Mantel der Heiligen Jungfrau erinnerte.
Viele Stunden vergingen jedes Mal, bis sie die wenigen bläulichen Tropfen gewonnen hatte.
Doch die Brechkur wirkte. Inzwischen aßen die Nonnen einmal am Tag ein wenig Hühnersuppe.
Aurelia wog auf Mechthilds Waage ein Viertel Lot Kamille
für den Stärkungstrank ab. Sie schloss die Vorratsurne mit dem Holzdeckel und stellte sie zurück in das deckenhohe Regal. Auf kleinen Pergamentstücken hatte Mechthild alle Urnen mit den lateinischen Kräuternamen beschriftet. Siebenundvierzig Kräuter verwahrte sie hier, wovon Aurelia nicht alle kannte. Dazu neunzehn Metallerden, doch so grob und unrein hätte Vater solcherlei Steinmehl nie für ein Alchemisten-Werk eingekauft.
Aurelia wandte sich von dem Gestell mit den Urnen ab und ging zum Studierpodest. Vier Bücher lagen aus. Sie vertrieb sich mit ihnen die Zeit, während der Stärkungstrank zog.Von Heilkunde verstand sie noch nicht viel. Die Rezepte für die verschiedenen Schrundsalben waren einfach, die für die Wundheilung sehr schwierig.
Die Vorräte an Morgenthau waren fast verbraucht. Aurelia überlegte, wo das Kloster nur neuen beschaffen könnte.
Das Licht des Kienspans an der Wand flackerte. Aus dem letzten Röhrchen tropfte der Stärkungstrank. Sie prüfte den Stand im Gläschen darunter. Noch ein wenig, dann hatte sie für heute genug davon gewonnen.
Die Kirchenglocke schlug neunmal. Aurelia bereitete alles für das Reinigen vor, da hörte sie schon die Schritte im Kreuzgang draußen, und die Tür ging auf.
»Heute werden die Schwestern zum ersten Mal wieder ihre Seele entlasten können!« Die Äbtissin klatschte in die Hände und lächelte. Ihre Freude schien echt. »Der Priester wird ausnahmsweise die Beichte im Dormitorium abnehmen.«
Als ob er bei den gesunden Nonnen nicht eher etwas zu hören bekommen würde. Doch Aurelia sagte nur: »Mechthild wird es stärken.« Sie verpfropfte das Fläschchen mit dem Stärkungstrank mit einem Bienenwachsdeckel.
Je länger sie den Alltag in Rosenthal miterlebte, desto entzweiter schien ihr der Konvent. Die eine Art Nonnen verbrachte
ihre Zeit mit Essen, Gesang und damit, Briefe an die Verwandtschaft zu schreiben. Sie lachten und trugen bunte Kleider, sogar im Kreuzgang. Die andere Art betete sogar die Mittagsgebete immer und nähte Hemden, die als Almosen in den Dörfern verteilt wurden. Die einen Nonnen gähnten bei der Morgenandacht, die andern sangen die Psalmen Wort für Wort mit Inbrunst. »Mechthild wird bald wieder ihr Reich übernehmen können«, sagte Aurelia, als sie der Äbtissin das Fläschchen reichte.
»Dein Sud hat gewirkt. Wer hätte das gedacht?« Enhardis warf einen Blick auf den Tisch mit den Büchern. »Mir ist nicht entgangen, dass du selber die Schriften studierst. An die harte Arbeit im Stall will ich dich nicht weiter verschwenden. Du sollst fürderhin als Mechthilds Hilfe hier arbeiten.« Sie nickte Aurelia zu. »Für ein Kloster ist es besser, wenn es zwei Heilkundige hat als eine.Wie schnell eine böse Krankheit über uns kommen kann, lehrt uns ja dieser Winter.«
Aurelia verneigte sich tief.Vielleicht sollte sie doch länger als bis zum Frühjahr im Kloster bleiben, so lange jedenfalls, bis sie alles über die Heilkunst gelernt hatte.
Vom Kreuzgang her klangen die Schritte der Nonnen, die in die Kirche zur Messe gingen.
»Der Priester weiht unsere Rosenkränze beim Dankgottesdienst.« Enhardis stand schon bei der Tür. »Worauf wartest du?«
Aurelia zeigte zum Tisch mit der Apparatur. »Die Glaskolben müssen alle vier Tage gereinigt und in klarem Wasser ausgekocht werden, sonst backen die Reste an und verderben den nächsten Sud. Erlasst mir die Messe um der Nonnen Gesundheit willen.«
Der Äbtissin war eine
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