Die Goldmacherin Historischer Roman
verkaufen! Enhardis reiste also früher zum Bischof nach Speyer, als es Leonor am Novizinnen-Tisch herumerzählt hatte.
»Sieben Kistchen voll sind es geworden«, sagte Mechthild gerade stolz. Sie hielt der Hausmeierin Ruth eine offene Kiste hin.
Aurelia schlich auf Zehenspitzen um die Pferde herum, deren Schnauben ihre Schritte übertönte.
»Dreiundsechzig Fläschchen habe ich in meinem Haushaltsbuch verzeichnet. Enhardis wird ein paar an den Bischof und seine Priester verschenken.« Ruth griff eines davon aus dem fein gespleißten Stroh, in das es gebettet war. »Gut fünfzig werden wir sicher auf dem Speyerer Markt verkaufen. Die Stopfkorken von den leeren Messweinflaschen habt ihr gut zugeschnitten, Mechthild. Solch Sparsamkeit lob ich mir.«
Aurelia fühlte einen Stich im Leib. Alte Weinkorken durfte man nicht dafür nehmen. Reinheit der Massen ist Alpha und Omega der Alchemie , predigte die Prophetissa in ihrer Schrift immer wieder. Sie musste die beiden Nonnen warnen. »Und was ist, wenn ein Rest Weinstein am Kork sich mit den Marientränen verbindet?«, platzte sie ohne lange zu überlegen heraus.
»Du!« Mechthild fasste sich an die Brust. »Herr Jesus!« Ein Fläschchen fiel ihr aus der Hand und rollte vor Aurelias Fuß, dabei lief es leer, weil sich der Korken löste.
»Was schleichst du hier herum?«, fuhr Ruth sie an. »Hast du nichts Besseres zu tun, als Schaden anzurichten?« Sie reichte die offene Kiste dem Fuhrmann, der damit zurück in die Scheuer ging, um sie zuzunageln.
Aurelias erschrak über einen allzu bekannten Geruch in der Luft. Statt einer Antwort bückte sie sich zum ausgelaufenen Fläschchen und roch an der kleinen Lache Marientropfen. Ein Elementum des Dufts drängte sich zu weit vor, die Süße war zu schwach, etwas Mandelbitteres lag darin, schwach zwar, aber unangenehm. Oh Gott.
»Mechthild, hast du etwa eine andere Minze genommen als die in der Rezeptur vorgeschriebene?«, fragte sie entgeistert. »Es braucht unbedingt die starkwüchsige, nicht die hellblättrige Minze, nach der es hier riecht.« Sie betrachtete das leere Tongefäß in ihren Fingern.
»Das kannst du unterscheiden?« Ruth beäugte sie voll Zweifel.
Mechthild stand der Mund offen. »Sie spricht wahr.«
Aurelia entging nicht, dass die Wangen der Apotheker-Nonne sich etwas verhärteten, ihr Stolz war gepackt. »Minze ist Minze.«
Sie tat Aurelia leid, aber sie durfte jetzt nicht mehr nachgeben. »Das stimmt doch nicht. Die Tränen werden nicht richtig wirken, wenn das Minzöl nicht kräftig genug ist, um die anderen Kräuter mit in das Blut zu tragen.«
Mechthilds sonst so liebes Gesicht war ganz lang geworden. »Aurelia. Auch wenn du mit der schweren Krankheit Recht gehabt hast, die mich und die Schwestern vor Weihnachten geschüttelt hat, bist du noch lange keine Apothekerin. Selbst wenn du deinem Vater oft über die Schulter geschaut hast. Ich weiß, was ich tue.«
Ruth winkte dem Fuhrmann, dass er mit dem Beladen weitermachte. »Höre nicht auf sie, Mechthild. Selbst wenn die
Wirkung der Marientränen schwach wäre, schaden werden sie keinem.«
Sie dachten nur ans Marktgeld, sie wollten die Wahrheit nicht wissen. Aurelia begriff nicht, warum Mechthild auf einmal so stur war. »Was ist mit dem leichten Bittermandelgeruch, Mechthild, vor dem warnt … warnen die Großen Schriften doch immer.« Sie sah rasch zu Boden, beinahe hätte sie ihr geheimes Buch verraten.
Mechthild nahm ihr das Tongefäß aus der Hand und roch am Rest der Flüssigkeit darin. »Ich weiß nicht, was du hast. Es riecht überhaupt nicht nach Bittermandel, eher nach Zimmet und Koriander.«
»Vorlautes Ding! Nicht nur du hast eine Nase im Gesicht.« Ruth stellte sich vor sie. »Du musst noch viel Demut lernen. Enhardis wird dich nicht bloß bügeln lassen, sobald ich mit ihr geredet habe. – Komm, Mechthild. Wir müssen fertig werden.«
Aurelia wusste, wie fein ihr Geruchssinn war. Sie hörte zwar die Drohung, aber ihr traten die Zeilen der Prophetissa vor den Sinn.Vor zwei Nächten hatte sie gerade das Kapitel mit den unerwünschten Giftwandlungen noch einmal wiederholt, damit sie ja nichts davon vergäße. Bittermandel ist wie der Hauch von Azrael, dessen Mund mandelschön, dessen Kuss aber todesschwer ist.
Die beiden Nonnen gingen zum Kutschbock. »Wirst du Enhardis nach Speyer begleiten, Ruth?«, fragte Mechthild schon geschäftig.
Die andere rieb sich sogar die Hände! Was für eine Gier. Und das wollten Nonnen der
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