Die Goldmacherin Historischer Roman
Sattel und gab den Zügel, wie Aurelia vor ihm, den Schutzknechten, die sie auf zwei Rössern begleiteten. »Haltet Euch bereit, nach der Prozession reiten wir gleich zur Kaiserburg«, wies er die Männer an.
Aurelia roch die Menge, immer stank das Volk, selbst an einem Feiertag bei einer Prozession. Der lange Ritt von Augsburg
her durch die Berge über Salzburg hatte sie von Tag zu Tag eher gekräftigt, denn der Legat sparte nicht an Herberge und Kost, ob sie nun in Klöstern unterkamen oder in den Gasthöfen der kleinen Marktorte.
Von Rüdesheim schritt an zwei einfachen Priestern vorbei, die ihnen Platz machten.
»Der Esel kommt«, raunten drei Handwerksleute mit Ledermützen vor ihnen im Gedränge.
Ein Prälat ritt auf einem Esel voran und hielt ein Kreuz in den Händen. Die Monstranz ragte über einem reich geschnitzten Kasten auf.
Aurelia deutete darauf. »Echtes Zedernholz!«
»Woher …« Dann lächelte der Legat wieder so überraschend liebenswürdig. »Ich vergesse immer wieder, wie weit Ihr schon gereist seid, Heliodor.« Seit Augsburg trug er die roten Prachtgewänder, die ihn als Abgesandten des Papstes auswiesen.
Hätte Aurelia nicht die harte Seite des Kirchenmanns gekannt, sie hätte sich fast schon einlullen lassen. Doch in einer Mondnacht, als der Legat in tiefen Schlaf gefallen war, hatte sie heimlich einen seiner Briefe aus Rom gelesen. Er sollte im päpstlichen Auftrag den Kaiser für ein Bündnis gegen den Türkensultan gewinnen. Aurelia konnte sich nicht vorstellen, welche Rolle ihr in diesen Plänen zugedacht war. Aber gerade weil von Rüdesheim keine Gelegenheit ausließ, ihr die Angelegenheiten des Reiches, die Verwicklungen des Erbstreites der Habsburger Brüder, die Not der freien Städte und die Sorgen der Fürsten zu erklären, gerade deshalb war sie erst recht vorsichtig. Der Legat spann abgefeimt und heimtückisch im Interesse des Papstes seine Fäden. In diesen wollte sie sich ungern verfangen.
Von Rüdesheim wiegte sie in Sicherheit, spiegelte Freundschaft und Sorge um ihre Seele vor, nur um sie bald in der
Residenz in ein Ränkespiel zu verstricken, das ihr Leben in Gefahr brachte. Und damit auch das von Romuald. Aurelias Fragen nach ihrem Verlobten hatte der Legat immer gleichtönend beantwortet. Er steigt im Heer des Kaisers als Schreiber auf.
Ein Flötenspiel lenkte Aurelia von ihren trüben Gedanken ab. Gut zwanzig Kinder in grauen Gewändern wanderten lustig der Prozession hinterdrein. Dann schlossen sich Frauen aus der Menge an.
»Nutzen wir die freien Gassen.« Der Legat zog sie am Oberarm weg. Am eisernen Griff seiner starken Hand spürte sie einmal mehr seinen verborgenen Willen. Die wachsamen Augen der Schutzknechte folgten ihr immer, in gebührendem Abstand zwar, aber nicht einmal den Gang zur Latrine ließen die Kerle sie allein tun. Schwerer wog noch, dass sie ohne jegliche Münze im Säckel bei einer Flucht nicht weit gekommen wäre.
Aurelia räusperte sich und sagte mit der tieferen Stimme Heliodors: »Auf zur Burg.«
»Setzt den Hut auf!« Von Rüdesheim streckte den Kopf durch die niedrige Tür in seiner Stube.
Aurelia warf De rerum natura von Lucretius aus dem Besitz des Legaten auf dessen Lager zurück.
»Rasch!« Er schaute schon wieder nach draußen in den Gang.
Was drängelte er denn auf einmal? Wo hatte sie nur die Handschuhe hingelegt?
»Man lässt den Kaiser nicht warten, beeile dich, Herrgott.«
Da, am Zinnkrug. Aurelia zog das schwarze Ziegenleder über ihre schmalen Finger.
In der Burg eilte der Legat so schnell voran, dass sein Schritt wenig würdig anmutete. Aurelia musste gar ihren Hut festhalten. Der Mund wurde ihr trocken. Stunden nach dem Nachtmahl
hatte sie nicht mehr mit einer Audienz beim Kaiser gerechnet.
Zwei Tage hatte Aurelia mit Nichtstun in der kargen Stube verbringen müssen, die man ihr und dem Legaten zugewiesen hatte. Keinen Fußbreit hinaus hatte von Rüdesheim ihr erlaubt, sogar einen Schutzknecht vor der Tür Wache stehen lassen.
Sie gingen Gänge, Treppen und Stiegen hinauf und hinab, an Holztüren, Dienern, Schergen, Mägden vorbei. Aurelia konnte die prunkvolle Ausstattung des Palastes gar nicht recht erfassen. Dann standen sie endlich vor einer eisenbeschlagenen Tür.
Der Legat zog ein Windlicht aus dem Mantel und öffnete die Tür. »Erinnert Euch dessen, was ich Euch über die Sitten am Hofe beigebracht habe, Heliodor.« Kühl wehte feuchte Luft von der einfachen Wendeltreppe her.
Stufe für Stufe
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