Die Goldmacherin Historischer Roman
sich über die Lederkappe. Dann schaute er den Legaten mit zusammengekniffenen Augen an. »Wie kommt es, dass gerade Ihr mir einen solchen bringt, wo doch die Kirche sonst die Alchemia als schwere Sünde gegen Gott geißelt.«
Der Legat räusperte sich. »Versteht den Papst nicht falsch. Er geißelt nur die Alchemisten, die nicht anerkennen wollen, dass alle Kraft der Materie von Gott ausgeht. Majestät, Ihr habt selbst gehört, was Heliodor von den Wandlungen gesagt hat.«
Der Kaiser klopfte sich Eisenstaub von den Fingern und lächelte herablassend. »So habt Ihr also den Segen der Kirche gleich mitgebracht, Heliodor. Wer immer Euch das gelehrt hat«, sein Blick streifte spöttisch den Legaten, »hat Euch sicher auch gemahnt, dass Ihr meine Geheimnisse hier für Euch behaltet.« Er drückte Aurelia fest den Oberarm. »Wie auch meinen Befehl, dass Ihr Gold machen sollt. Ein Wort darüber ins falsche Ohr, und ich müsste Euch für immer zum Schweigen bringen lassen.«
»Mein Kaiser«, erwiderte Aurelia und fühlte dabei Gänsehaut auf den Armen, »Ihr habt einen getreuen Gefolgsmann vor Euch.«
Des Kaisers Griff lockerte sich, seine klugen Augen zwinkerten ihr zu. »Treue, Heliodor, ist an meinem Hofe noch seltener als Gold.« Er betrachtete sein Schwertlot in der Glutschale. »Geht mit dem Legaten zum Hubmeister. Ihr werdet hier in meinem geheimen Laboratorium arbeiten.« Der Kaiser deutete mit dem Zeigefinger zur Tür. »Und nun lasst mich allein.«
Sie verließen die Werkstatt, dumpf fiel die dicke Tür hinter ihnen ins Schloss. Sie hörten keinen Ton mehr davon, wie der Kaiser drinnen fuhrwerkte.
»Ihr habt den Kaiser sehr schnell für Euch eingenommen, Heliodor.« Die braunen Augen des Legaten funkelten im Halbdunkel.
Aurelia vermochte den zurückhaltenden Ton seiner Worte nicht einzuordnen. »Ihr wolltet doch, dass ich den Kaiser überzeuge.«
»Seine Erwartungen sind nun groß«, flüsterte der Legat. »Wehe, die Große Wandlung misslingt Euch«, sagte er und lief durch die Gewölbe voraus.
Aurelia wollte sich lieber nicht vorstellen, wie der Kaiser sie dann strafen würde.
29
D en Spitzbogen des kleinen Fensters im Dachreitertürmchen mochte Aurelia ganz besonders. Er war gerade so hoch, dass sie von ihrem schmalen Lager aus die Sterne sehen konnte. Sogar das Mondlicht fiel bis auf den Boden ihrer kleinen Kammer beim alten Turm. Eine Sternwarte hatte der Kaiser sich angeblich in diesem Stübchen einrichten wollen, hatte der Hubmeister des Hofes erwähnt. Eine gute Woche fast war sie nun am Kaiserhof …
Aurelia kämmte den falschen Bart über dem Zuber. Wenn sie ihn wusch, brauchte er die ganze Nacht zum Trocknen. Sie hängte ihn über die Stange im Winkel und sammelte jedes Haar aus dem Kamm. Sobald sie für eine Strähne langten, knüpfte sie sie wieder an das Halteband an, damit der Bart nicht schütter wurde.
Aurelia streckte die Arme zur Seite aus, mehr als drei Schritt konnte sie nicht tun, aber sie hatte sich ein winziges eigenes Reich ertrotzt. Ganz für sich allein, konnte sie hier die unbequemen Männerkleider ablegen und einfach Frau sein.
Dann lag sie auf ihrem Bett und sehnte sich nach Romuald. Bislang hatte sie nichts über seinen Verbleib herausfinden können. Sie kannte noch kaum Leute am Hof und erst recht keine, denen sie vertrauen durfte.
Die Gunst des Herrschers hatte sie davor bewahrt, in einer Gemeinschaftsschlafstätte im Gesindetrakt schlafen zu müssen. Aurelia war unendlich erleichtert, dass sie nicht auch noch mit dem Bart schlafen musste, immer in Sorge, er könnte ihr in der Nacht vom Kinn rutschen.
Aurelia warf einen Blick hinaus über die breiten Wassergräben zur Stadt. Anfang April zierten die ersten grünen Spitzen die Bäume auf den Hängen rund um Neustadt. Hörte sie Schritte? Aurelia versicherte sich, dass sie den Riegel vor die Tür geschoben hatte und schlüpfte eilig in die Hosen. Der Bart war noch etwas feucht an dem Stück, das ihre Oberlippe bedeckte, sie beugte sich vor den Spiegel und band ihn schnell richtig fest. Das Hemd, die Jacke, die Handschuhe, Herrgott, immerzu verlegte sie die … Da!
»Meister Heliodor?«, fragte eine Frauenstimme vor der Kammertür.
Aurelia schob den Riegel zurück. »Wer ruft mich?« Es war eine Dienerin der Kaiserin! Nur diese trugen gelbgrüne Gewänder und gelbgrüne Schleifen an der Haube.
Das eine Ohr des Mädchens lag seltsam schief an ihrem Kopf, doch es schenkte Aurelia einen liebreizenden Blick. »Die
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